Der Lavagaenger
den Professor so wütend gemacht hatte.
Dennoch drückte ich kurzerhand den Eheleuten je ein Schöpfgerät in die Hand und schickte sie, getrennt voneinander, in die Bootsrümpfe zum Wasserschöpfen. So hockten die beiden pitschenass da und schöpften frisches Regenwasser in jene unserer mit Wachs abgedichteten Bambusrohre, die wir bereits geleert hatten.
Hans Kaspar aber machte ich deutlich, wenn er wolle, dass wir heil ankämen, müsse er vergessen, dass Siyakuu eine Frau sei.
Einsichtig oder nicht, jedenfalls setzte er sich ans Ruder und fragte: wohin?
Ich sah noch immer nichts, nicht außen, nicht innen.
Nun fingen auch die anderen zu fragen an: Wo sind wir? Bist du sicher? Müssten wir nicht längst …
Senkrecht fiel der Regen aus dem Grau. Alles ringsum war eins.
Während ich ins Nichts starrte, schöpften die anderen Wasser. Es dunkelte, wenn es überhaupt noch dunkler werden konnte. Der Regen ließ nach, Wind kam auf, trieb uns gegen schwarze undurchdringliche Wände.
Ich war nervös, angespannt, müde. Ich wusste nicht mehr, wie lange wir schon so orientierungslos dahingetrieben waren. Das erste Mal, seit wir die Insel verlassen hatten, schlief ich ungewollt ein. Und in eben diesem Moment sah ich den Mond, das heißt, ich spürte ihn, hatte das unbestimmte Gefühl einer bestimmten Richtung, dort, wo er aufgegangen sein musste. Sofort war ich hellwach und drehte das Ruder. Es dauerte noch geraume Zeit, bis der Mond die Wolken durchbrach.
Was dann geschah, gehört zu den seltsamsten Dingen, die ich je erlebte. Dinge, von denen ich erst später begriff, was sie bedeuteten.
Lange nach Sonnenaufgang, während die anderen noch erschöpft in der Hütte schliefen, habe der Fregattvogel plötzlich aufgeregt mit den Flügeln geschlagen, berichtete der Einbeinige. Einen Augenblick später sei am nördlichen Horizont eine zweite Sonne erschienen. Wenige Minuten lang, ja vielleicht auch nur Sekunden, sei da ein glutheller Schein gewesen. Dann brach ein Sturm los, kurz nur, aber so heftig, dass der Mast brach und samt Segel ins Meer geschleudert wurde. Noch ehe wir uns besannen, war alles vorüber.
Danach blieb das Meer blass und reglos, als wäre es erschöpft wie wir. Vor uns lag ein dumpfes, bleiernes Grau. Doch, dies war das Merkwürdige: Kein Wolkengürtel verdeckte mehr den Himmel. Der erstrahlte im kräftigstenBlau, aber das Meer schien jeden Lichtstrahl zu verschlucken.
Paddelnd bewegten wir uns mühsam vorwärts, selbst die Paddel schienen in dem bleiernen Gewässer zu haften. Unser gefiederter Begleiter hockte die ganze Zeit wie trübsinnig auf seiner Stange.
Es war Siyakuu, die das Pferd als Erste entdeckte. Ein Pferd. Plötzlich war es aufgetaucht, mitten in dieser grauen Ödnis. Es stand da, stoisch den Kopf gesenkt, reglos auf einer Art Floß oder hölzernem Tor. Beim Näherkommen sahen wir, sein Fell, oder besser gesagt, seine Haut war über und über mit Brandblasen bedeckt. Von Schweif und Mähne war nur noch ein verschmorter Rest geblieben.
Keiner wusste damals, was dem Tier geschehen war. Sowohl der Professor als auch Hans Kaspar warnten Siyakuu: Das Tier könnte krank sein. Dennoch hat sie sich nicht davon abhalten lassen, hinüberzuklettern und dem Tier von unserem Wasser zu geben. Dann bedeckte sie seine Wunden aus Mangel an Tüchern oder Verbandsmitteln mit Stücken ihrer Kleidung.
Eines Morgens hing an unserem Kanu nur noch das Seil, mit dem Siyakuu das Floß angebunden hatte. Das Floß war samt Pferd verschwunden.
Bald hatten wir den Vorfall vergessen. Ohne Segel, nur mit Hilfe der Paddel kamen wir kaum voran. Wo wir uns befanden, wusste ich nicht. Nur, dass wir, fernab der Karolinen, weit nach Osten abgetrieben waren, das verrieten mir die Sterne.
Die bleierne See, erzählte der Einbeinige, hätte kein Ende genommen. Kein fliegender Fisch schnellte übers Wasser, geschweige denn, dass einer auf dem Kanu gelandet wäre. Nicht mal ein Haifisch, die, wie andere Schiffbrüchige glaubhaft berichteten, sich in ihrer Gier mitunter auf ein Floß werfen würden. So dass mit einigem Geschick und einem Werkzeug das Tier zu erschlagen gewesen wäre, umdie einzige weiche Stelle hinter den Kiemen zu verletzen und so an sein Blut zu gelangen.
Da am Himmel Tag für Tag die Sonne glühte und kein Wölkchen weder Land noch Regen verhieß, wurde die Lage auf der
Rutas
ernst. Die Vorräte gingen zur Neige. Die vier Seefahrer hatten ja nur nach Nan Madol und nicht über den ganzen Pazifik gewollt.
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