Der Lavendelgarten
auch nicht so gutgläubig sein. Begreifst du denn nicht, was dieser Mann zu tun versucht? Er benutzt dich, Sophia. Im schlimmsten Fall hegt er einen Verdacht gegen Édouard und will ihn mit deiner Hilfe überführen!«
»Du täuschst dich, Constance!«, widersprach Sophia. »Du kennst Frederik nicht, du weißt nicht, worüber wir uns unterhalten, wenn wir allein sind. Er ist ein guter Mensch und ich vertraue ihm! Wenn der Krieg vorbei ist, gehen wir von hier weg.«
»Sophia, es wird keinen Ort geben, an dem Frederik sich verbergen kann.« Am liebsten hätte Connie sie ob ihrer Naivität laut angeschrien. »Sie werden ihn bis ans Ende der Welt verfolgen und ihn für seine Verbrechen zur Rechenschaft ziehen.«
»Wir werden einen Ort finden, an dem wir zusammen sein können.«
Mit ihrem Schmollmund erinnerte Sophia Connie an ein verwöhntes Kind. Sophias Plan war so abwegig, dass Connie nicht wusste, ob sie laut lachen oder vor Wut schreien sollte. Sie versuchte es mit einem anderen Ansatz.
»Sophia«, sagte sie sanft, »ich verstehe, dass du starke Gefühle für Frederik hegst. Aber wie du selbst schon gesagt hast, ist es die erste Liebe für dich. Vielleicht siehst du in ein paar Wochen klarer. Möglicherweise ist es nur eine Schwärmerei …«
»Bitte nicht in diesem gönnerhaften Tonfall, Constance. Ich mag blind sein, aber ich bin eine erwachsene Frau und kenne meine Gefühle. Frederik muss für ein paar Wochen nach Deutschland, doch er ist bald wieder bei mir. Bitte ruf Sarah, damit sie mich nach oben bringt«, wies sie Connie in herrischem Tonfall an. »Ich bin müde und möchte mich ausruhen.«
Als Connie den Raum verließ, wurde ihr zum ersten Mal bewusst, dass sich hinter Sophias sanftem, verletzlichem Äußeren eine Frau verbarg, die bisher immer bekommen hatte, was sie wollte.
14
In den folgenden Tagen grübelte Connie viele Stunden, ob sie Édouard von Sophias Eröffnung erzählen sollte. Wenn sie das tat, verriet sie die einzige Freundin, die sie im Moment hatte. Sagte sie jedoch nichts, brachte sie möglicherweise Édouard, Sophia und sich selbst in Gefahr.
Nach ihrem Geständnis ging Sophia zu Connie auf Distanz, weswegen diese sich angewöhnte, an den Nachmittagen einen kleinen Spaziergang über die Pont de la Concorde zu den Tuilerien zu machen, um der klaustrophobischen Atmosphäre des Hauses wenigstens zeitweilig zu entrinnen. Auf dem Rückweg von einem dieser Spaziergänge kam ihr beim Überqueren der Brücke eine vertraute Gestalt auf dem Fahrrad entgegen. Connie blieb vor Schreck stehen, als sie die grünen Augen erkannte, doch die Frau fuhr weiter.
Venetia …
Connie verkniff es sich, sich nach ihr umzudrehen, und ging weiter zum Haus der de la Martinières. Venetias Erscheinungsbild hatte sich grundlegend verändert. Ihre langen schwarzen Haare waren nun zu einem Bob geschnitten, und ihre Kleidung wirkte anders als früher, als Venetia gern im Mittelpunkt gestanden hatte, nämlich unauffällig.
Am folgenden Tag machte Connie ihren Spaziergang zur gleichen Uhrzeit und setzte sich auf eine Bank, um sich am prächtig bunten Herbstlaub zu erfreuen. Vielleicht wohnte Venetia in der Nähe … Connie sehnte sich danach, sie aus der Nähe zu sehen, jemanden zu umarmen, den sie aus der Vergangenheit kannte.
Eine Woche lang wiederholte sie den Spaziergang jeden Tag um die gleiche Zeit, ohne Venetia noch einmal zu begegnen.
Inzwischen kam Frederik weit häufiger zu den de la Martinières als Falk. Wenn er unangemeldet klopfte, schien Sophia, die ihn mit unverhohlener Freude an der Tür zum Salon empfing, nie überrascht zu sein. Connie konnte nur hoffen, dass Édouard mitbekam, was sich da vor seiner Nase abspielte, aber er war häufig nicht da, und wenn, wirkte er müde und geistesabwesend. Connie behielt ihre Befürchtungen für sich und gesellte sich so oft wie möglich zu den Liebenden im Salon. Sophia gab ihr dann ziemlich deutlich zu verstehen, dass sie nicht willkommen war, und so zog Connie sich nach fünfzehn Minuten bemühter Konversation zurück.
Zum Glück hatte sie in Sarah, der Frau, die sich seit Sophias Geburt um diese kümmerte und fast wie eine zweite Mutter für sie war, eine Verbündete. Oft trat Sarah, wenn Connie vor der Salontür stand, zu ihr.
»Bitte, Madame, haben Sie Vertrauen. Ich sorge schon dafür, dass Mademoiselle Sophia nichts geschieht.«
Dann zog Connie sich dankbar von ihrem Wachposten zurück.
Obwohl sich am Alltag des Hauses nichts änderte,
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