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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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denken. Beim Klingeln des Telefons an Gianni, der Feierabend macht und mich sehen will.
    Ein, zwei, drei Mal, bevor ich die Augen öffne.
    »Ja, hallo.«
    »Hey.«
    »Savarese.«
    »The one and only.«
    »Ich hab schon geschlafen«, sage ich und bereue es sofort. Wie spät ist es? Zehn? Savareses Schweigen ist vielsagend: Kein Mensch unter dreißig schläft um diese Zeit.
    »Bist du auf die sprichwörtlichen Folgen eines solchen Verhaltens gefasst?«
    »Was willst du?«
    »Zieh dich an, wir gehen zu einem Fest. In einer halben Stunde warte ich vor dem Haus auf dich. Ich bin der im Auto, der den Seitenspiegel so einstellt, dass er den Passantinnen auf den Hintern gucken kann.«
    Ich gebe ihm keine Antwort, weiß nicht, was ich sagen soll.
    »Erinnerst du dich: die Passantinnen . Wie in dem Lied von De André.«
    Ich schweige immer noch. Irgendwie wirkt er aufgeregt. »Bist du noch wach?«
    »Tut mir leid, ich kann nicht. Ich bin wirklich ziemlich müde.«
    Ich habe eine lange Reise hinter mir, Savarese. Ich bin müde.
    »Ich habe dir die Ikeakonsolen montiert, junge Dame: Wenn das meine Mutter wüsste, würde sie in Tränen ausbrechen.«
    »Das ist moralische Erpressung.«
    »Allenfalls eine unmoralische.«
    »In Ordnung. Gib mir eine halbe Stunde.«
    »Zugestanden. Und wisse, dass du das erste weibliche Wesen bist, das ich bitte, sich anzuziehen: Fühl dich geehrt.«
    Ich lege auf. Ich fühle mich geehrt.
 
    Das Mädchen im Spiegel ist stärker geschminkt als sonst. Die Augenringe sind verschwunden. Die hohen Absätze lassen sie größer erscheinen. Der Pullover steht ihr gut.
    Ich blicke mir ins Gesicht und frage mich, ob das ein Date ist. Ob eine andere junge Frau vor einem anderen Spiegel steht, sich schminkt, die neuen Schuhe anzieht, um größer zu wirken, wenn sie mit Gianni ausgeht. Und wie alt sie ist.
    Savarese wartet im Auto, trommelt mit den Händen aufs Armaturenbrett.
    »Es ist eine Balkanfete, also kannst du trinken und vergessen, dass du mit Gewalt ins Valentino gezerrt worden bist.«
    »Danke.«
    Savarese wartet einen Moment, ehe er losfährt.
    »Gern geschehen.«
 
    Die Bühne steht auf einem Hügelchen im Valentino-Park. Die Menge auf der Wiese schart sich um die Band oder die Getränkebuden.
    Ich folge Savarese seitlich am Gedränge vorbei, und wir halten uns zunächst von der Bühne fern. Die Leute tanzen im Rhythmus eines Stücks, das, wenn es nicht von Goran Bregović selbst ist, ihm alle Rechte abtreten müsste.
    »Bei dieser Musik denke ich immer sofort an Kusturica«, schreit Savarese.
    Stimmt, denke ich. Bei italienischer Musik denken die Leute übrigens immer an Der Pate und Die Sopranos . Was werden Annas amerikanische Kollegen denken? Ob für Nicht-Italiener überhaupt ein Unterschied zwischen Neapel und Turin bestehen würde?
    »Komm.«
    Wir gehen an der anderen Seite der Bühne vorbei, überholen die Leute, die gemeinsam herumspringen und tanzen. Sie sind so alt wie ich, älter, jünger.
    Plötzlich bricht die Musik ab, wie bei einem Stromausfall. Das ist zumindest mein Eindruck, ich bin es nämlich, die sie nicht mehr hört.
    Die Leute tanzen weiter vor meinen Augen, legen einander die Hände auf die Schultern, drängeln, versuchen sich gegenseitig zu erdrücken, aus dem Gedränge rauszukommen, um tief durchzuatmen. Sie lachen, wissen nicht, was sie tun.
    »Hey, alles in Ordnung?«
    Die Musik ist schlagartig wieder da.
    Ich mache einen Schritt, dann noch einen.
    »Ja. Mir war nur kurz schwindelig. Es geht mir gut.«
    Savarese kneift die Augen zusammen. Eine Hand hat er mir um die Hüfte gelegt, und ich habe es nicht einmal gemerkt.
    »Daran sind die hohen Schuhe schuld«, sagt er. Mit der anderen Hand streichelt er meine Schulter. »Das ist typisch Frau, das weißt du, oder?«
    Ich lache los und kann nicht mehr aufhören. Es ist stärker als ich, und ich kann mich einfach nicht bremsen, bis mir die Tränen die Wangen hinablaufen und es mir vorkommt, als schwimme und flimmere alles um mich herum.
    Savarese schüttelt den Kopf.
    »Hör auf damit.«
    »Nein«, sage ich. Er begreift es nicht. Und gleich danach denke ich, dass er es nie begreifen wird, und das denke ich immer noch, als er sich zu mir herunterbeugt und mich küsst.
 
    »Ich will eine Wohnung kaufen«, sagte Massimiliano.
    Ich glaubte mich verhört zu haben: ich, in Tränen aufgelöst, weil ich Abschied nehmen musste, um irgendwo anders neu zu beginnen, mein Leben dort zu Ende war, und er sprach von Wohnungen.
    Von einer

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