Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Wohnung.
»Kannst du das noch mal wiederholen?«
»Mein Vater hat meinem Großvater bewiesen, dass er ein Mann ist, indem er per Interrail durch Europa reiste, während meine Mutter ihren Schulabschluss machte und mit mir schwanger war. Ich beweise, dass ich ein Mann bin, indem ich mir mit dreißig eine Wohnung kaufe.«
Übergangsrituale, dachte ich. Einen Job finden, einen unbefristeten Vertrag unterschreiben, eine Wohnung kaufen.
»Bist du dir sicher?«
»Und du, bist du dir sicher?«
Kurz zuvor hatte ich Gianni verlassen. Ich stand in der Rangordnung der Bewerber um ein Lehramt zu weit unten, um auf eine Vertretungsstelle hoffen zu können. Die Hälfte der Auftragsarbeiten, die ich für lokale Verlage gemacht hatte, war mir nicht bezahlt worden.
»Ja«, sagte ich.
Massimiliano ließ den Motor an.
Ok, jetzt verschwinde. Hau ab. Zwischen uns sollte ein kilometerweiter Abstand sein. Wenn es auf der Welt gerecht zuginge, wäre ich jetzt in Neapel bei Gianni und alles liefe so weiter, wie es immer gewesen war. Wenn alles gerecht zuginge, könnte man es sich aussuchen, mit jemandem zusammenzuleben, eine Wohnung zu kaufen, von einer Arbeit zur anderen zu wechseln. Man hätte die Wahl.
»Kannst du dich bitte mal umdrehen?«
»Nein.«
Savarese ist mir bis zum Eingang des Parks gefolgt. Dieschwarzen Statuen der Brücke starren mich an, als würden sie im nächsten Moment von ihren Sockeln herabsteigen und uns mit Füßen treten.
»Und jetzt?«
»Nein.«
Savarese stöhnt.
»Warum musst du bloß so sein?«
Ich drehe mich um.
»So nachdenklich, so schwermütig«, ergänzt er, böse.
»Und ihr, wie macht ihr das bloß, so unbeschwert zu sein?«
Mir gelingt es nicht, ich kann es nicht. Ich brauche meinen Hochschulabschluss mit Bestnote, eine Arbeit, die diesem entspricht, Gianni, der mich liebt, wie mich kein anderer liebt, Freunde, meine Stadt. Meine Mutter. Meinen harten, unangreifbaren Stein, den ich verschluckt und mit mir getragen habe: Er hat mich hart gemacht.
Ich bin so, weil ich es satt habe, Savarese. Das ist der Grund.
»Wer ihr?«
»Vergiss es.«
Savarese macht ein bedauerndes Gesicht. Er muss aufpassen: Unglückliche Menschen fahren die Krallen aus. Jetzt, wo er mich ansieht, beginnt er es zu ahnen.
»Ihr Anwälte, meinst du?«, fragt er, um mich zum Lachen zu bringen. »Denn das nennt man Diskriminierung. Nur weil wir es verdient haben, heißt das nicht, dass es gerecht ist.«
»Savarese.«
Jetzt heule ich. Ich brauche keine Angst zu haben, sage ich mir, während er näher kommt, mich in die Arme schließt. Es ist eine Art, alles rauszulassen, alles, was ich nicht wollte, und dennoch passiert ist, alles, was ich aufgegeben habe und was mich aufgegeben hat.
Verzeih mir, Gianni. Es war die Angst, die alles entschieden hat, immer. Ich habe mein Möglichstes getan, stark zu sein, mich den Herausforderungen zu stellen. Geschafft habe ich lediglich, schneller zu laufen und mich nicht schnappen zu lassen. Aber es ist ein unfairer Wettlauf: Ich mache mir keine Hoffnungen.
»Entschuldige.«
Das Handy in seiner Tasche hört nicht auf zu klingeln. Mit einigen Verrenkungen gelingt es ihm, es herauszuholen, ohne mich dabei loszulassen.
»Es ist Margherita«, sagt er.
»Geh ran.«
Ich mache mich von ihm los, wische die Tränen weg.
Später sitzen wir mit zwei Rum-Cola und einem Bier auf der Wiese und hören uns den Bericht meiner Mitbewohnerin über ihre letzte Kündigung an.
»Dann habe ich ihm gesagt, er kann mich mal, und bin gegangen.«
»Amen«, verkündet Savarese und kippt den letzten Rest Bier runter. Je mehr er sich bemüht, meinen Blick einzufangen, desto vehementer versuche ich, seinem auszuweichen.
»Und der Vertrag?«, frage ich.
»Welcher Vertrag?«, entgegnet sie.
Ich nehme mir vor, an diesem Abend nichts mehr zu sagen. Leider tut Savarese dasselbe und starrt schweigend auf den Boden seines Plastikbechers.
»Was habt ihr?«
»Nichts.«
»Die Sache mit dem Pub tut uns leid«, sagt er. Ich habe die Geistesgegenwart, ihn nicht mit Blicken zu durchbohren.
Margherita zuckt mit den Schultern. Mauro hat ihre Stelle übernommen, da er angeboten hatte, für eine geringere Bezahlung zu arbeiten: Das ließ der Chef sich nicht zweimal sagen.
»Hat es nicht vielleicht damit zu tun, dass er gemerkt hat, wie du ihn mit den Cocktails übers Ohr gehauen hast?«
Ich überschlage mal schnell im Kopf: Von zwanzig Cocktails dürfte ich allenfalls zwei bezahlt haben.
Margherita
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