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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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wird, und zeige es ihm.
    »Ich hab schon eins«, erklärt er.
    »Was sagst du dazu?«
    »Ich meine, es ist eine Frage der Gewohnheit. Nimm die Behinderten: zuerst aus den Klassen verbannt, in die Ghettos der Sonderschüler. Dann wieder in die Klassen. Und wir haben uns nie daran gewöhnt.«
    Das Auf und Ab, die Krisen, diese ganzen verfluchten Krankheiten, das alles erscheint mir inzwischen normal. Aber für Miranda, für Nicolini und die anderen ist es nicht normal.
    »Jetzt streichen sie Stunden und Lehrer. Sie werden es nie schaffen, die Behinderten in Klassen mit dreißig Schülern zu halten. Das ist unmöglich.«
    »Wir werden protestieren.«
    »Nein«, widerspricht er. »Wir werden nicht weniger Schüler pro Klasse fordern: Wir werden fordern, dass die Behinderten woandershin gehen. Das ist die günstigere Alternative. Und die bequemere.«
    Ein Mann in einem zu engen, verschwitzten Hemd versucht, uns auf sich aufmerksam zu machen.
    »Man spekuliert auf Flaute, verlass dich drauf«, fährt De Lucia fort. »Je weniger sie uns geben, desto weniger fordern wir: Daran sind wir gewöhnt.«
    Der Mann ist nun bei uns angelangt.
    »Ich bitte um Entschuldigung. Ich bin Malipieri, der stellvertretende Schulleiter. Man hat mir gesagt, dass Sie die Lehrer von Andrea Riccardi sind.«
    De Lucia gibt ihm die Hand und stellt sich vor.
    »Es tut uns sehr leid, aber wegen eines Versehens müssen wir die Preisverleihung absagen. Wir können dem Jungen den Preis jedoch formlos zukommen lassen.«
    De Lucia bewegt sich nicht.
    »Welches Versehen?«
    Der stellvertretende Schulleiter sieht mich an.
    »Worin besteht das Problem?«, beharrt De Lucia. »Darin?«
    Er schwankt mit dem Rücken vor und zurück.
    »Natürlich nicht.« Der stellvertretende Schulleiter trocknet sich die Stirn.
    »Obwohl es korrekt gewesen wäre, bei der Anmeldung auf den Zustand des Jungen hinzuweisen.«
    »Ich will sofort mit dem Schulleiter sprechen«, sagt De Lucia und begibt sich, ohne abzuwarten, in Richtung Direktorat. Der Stellvertreter macht einen Satz, um ihn daran zu hindern, zur Treppe zu gelangen.
    »Der Schulleiter ist momentan nicht da.«
    »Daran habe ich keinen Zweifel«, entgegnet De Lucia und versucht, ihm auszuweichen.
    »Hören Sie, verlieren wir keine Zeit mehr: Hier ist die Plakette, Sie überreichen sie ihm, und damit beenden wir die Sache.«
    De Lucia packt ihn am Handgelenk und zwingt ihn, die Plakette bei sich zu behalten.
    »Sie überreichen sie ihm, wollten Sie wohl sagen. Gehen wir.«
    »Lassen Sie mich los«, empört sich der stellvertretende Schulleiter »Ich komme ja schon.«
    Während ich den beiden folge, sehe ich Andrea inmitten der Menge. Er kann es jedoch nicht sein, weil er ein schwarzes Polohemd zu der Jeans trägt und ihm seine sauber gekämmten Haare hübsch in die Stirn hängen. Er ist ein hübscher Junge. Läuft, ohne herumzuhampeln, bleibt vor den Skulpturen stehen, betrachtet sie ein Weilchen, dreht sich dann um und kommt auf mich zu.
    Die langen Augenbrauen sind über der Nasenwurzel deutlich voneinander entfernt und beschreiben zwei vollkommene Halbkreise über zwei wachen Augen.
    Es ist Andrea. Ein gesunder Andrea.
    Ich warte, bis er an mir vorbeigeht, drehe mich nach ihm um und sehe mir seine geraden Schultern, die seitlich herabhängenden Arme an; er mischt sich unter die Leute und verschwindet, ohne mich zu grüßen.
 
    »Es ist uns eine große Freude, diesen Jungen für das großartige Werk auszeichnen zu können, das er geschaffen hat«, sagt nun der stellvertretende Schulleiter. Er reicht Andrea die Plakette, doch Riccardi weicht plötzlich einen Schritt zurück.
    »Sei nicht so schüchtern«, tadelt ihn seine Mutter. »Danke«, stammelt sie und drückt die Plakette sanft an sich.
    Der stellvertretende Direktor wirft De Lucia einen Blick zu, erklärt dann, dass er sich verabschieden müsse.
    »Da bist du ja endlich, Filippo. Wo warst du? Die Preisverleihung ist zu Ende.«
    Andreas Vater spricht im enttäuschten Tonfall meines Vaters.
    Ich bin sicher, dass De Lucia dasselbe Gefühl im Bauch hat, das ich jetzt empfinde, während ich Filippo betrachte, der größer und hübscher ist in seinem schwarzen Polohemd, der aber dieselbe Konstitution, dieselbe Gesichtsform und dieselbe Haut hat wie sein Bruder. Er reagiert nicht auf die väterliche Provokation, sondern tritt an den Minotaurus heran und mustert ihn von allen Seiten.
    Unter der Krankheit hat er allenfalls indirekt gelitten, denke ich. Um zu überleben,

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