Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Haltestelle hat.«
»Ja, Signora.«
»Er war heute nicht da.«
»Nein, Signora. Er ist nach Casablanca zurückgekehrt.«
»So plötzlich?«
Aladdin schüttelt den Kopf.
»Nach Casablanca«, wiederholt er. »Ich weiß nichts. Er ist weg. Er ist nicht mehr da«, antwortet der Mann, bevor er verschwindet.
»Das glaub ich jetzt nicht. Konnte er nicht noch eine Woche warten, um sich einsperren zu lassen?«
Vergangene Woche hatte sie Barouni auf dem Markt kennengelernt. Als sie nach dem Einkaufen an seinem Kastenwagen vorbeiging, verlangsamte sie ihren Schritt, um einen unangebrachten Annäherungsversuch von ihm abzuwehren, da fiel ihr das an der geöffneten Fahrertür klebende Foto der Garelli ins Auge. Barouni guckte verblüfft, entschuldigte sich sogleich, und hörte gar nicht mehr damit auf. Margherita fragte ihn nach dem Moped, ob es ihm gehöre, ob sie es sich leihen könne. Er sagte ja, natürlich. Es war für heute ausgemacht.
»Vito hat auf einer Garelli einen Unfall verursacht.«
Ich trinke meinen Kaffee, höre ihr zu.
»In einer der ersten Nächte, die ich in der Villa arbeitete, habe ich ihn ertappt, als er weinte. Ich dachte, er würde mich umbringen, um keine Zeugen zurückzulassen, stattdessen lief er ins Badezimmer und schloss sich drei Stunden lang darin ein. Er kam erst wieder heraus, als ich so tat, als ob ich auch weinte.«
»Was hat das mit dem Moped zu tun?«
»Er hatte dasselbe Modell im Internet gesucht und gefunden. Ich sagte ihm, dass wir es machen könnten wie die Indianer: Ein solches Moped fotografieren, das Foto verbrennen, den bösen Geist exorzieren.« Margherita trinkt den Kaffee und schneidet eine Grimasse. Bitter. »Ich sagte zwar nicht exorzieren, aber wir haben einander verstanden.«
»Ich kann auch die Augen offenhalten, wenn du willst.«
Sie zuckt mit den Schultern.
»Es muss allerdings rot sein.«
Ich verspreche, aufmerksam zu sein, und wir treten auf die Straße, begleitet von den Segnungen Aladdins.
»Hast du morgen Psycho?«, fragt mich Margherita. Die Kamera hat sie wieder umgehängt.
Ich denke kurz nach.
»Nein, sie haben mir den Fall entzogen.«
»Warum?«
Weil ich eine Versagerin bin, denke ich.
»Weil ich nicht imstande bin, ihn zu betreuen.«
Margherita bleibt stehen.
»Wer sagt das?«
»Die Schulleiterin. Alle.«
»Was wissen die schon? Die müssen es dich doch versuchen lassen.«
Sie läuft weiter, wartet nicht, dass ich sage, ja, du hast Recht. Ja, ich hatte Angst.
Ich versuche, nicht daran zu denken. Jetzt gibt es Mattia.
Ich kann den Lehrplan für ihn zurechtstutzen, ihn seinen Fähigkeiten anpassen, wie man es mit einem Kleid machen würde, das nicht gut fällt. Eine Schule nach Maß.
Die Lastwagen der städtischen Müllabfuhr beseitigen bereits die Überreste des Marktvormittags, säubern den Platz von faulem Obst, von zurückgelassenen Kisten, von Abfällen.
Ich lasse mich über die Giardini Reali führen, und für eine Weile begnügen wir uns mit den Geräuschen, die andere machen.
»Wir könnten heute Abend nach San Salvario gehen, zum Straßenfest.«
»In Ordnung«, sage ich, aber es klingt wohl nicht sehr begeistert, denn Margherita dreht sich um und sieht mich an.
»Verbietet dir etwa deine Religion, ein geselliges Leben zu führen?«
»Nein«, entgegne ich.
»Dann komm mit. Der Großteil der Männer, die ich dir vorstellen werde, wird dich nach einer halben Stunde schon langweilen, aber wir können ja auf den ein oder anderen Freund von Freunden hoffen.«
Ich lächle ihr zu.
Vor einem Schaufenster mit Damenmode bleiben wirstehen. Unser Spiegelbild bewegt sich etwas unpassend zwischen den eleganten Kleiderpuppen hin und her.
»Hast du einen Freund?«, fragt Margheritas Spiegelbild.
»Es gäbe da schon einen«, antwortet das meine nach einer Weile.
»Wie soll ich das verstehen: Es gäbe da schon einen?«
Mein verschwommenes Spiegelbild folgt mir bis an den rechten Rand des Schaufensters, verzichtet dann, lässt mich los.
» Es gäbe heißt gar nichts. Entweder gibt es einen oder nicht«, sagt Margherita.
»Na, dann eben keinen.«
Sie nickt. Besser so.
Seit zwei Monaten arbeiten wir jetzt schon miteinander, Mattia und ich. Ich setze mich im Unterricht neben ihn oder bringe ihn in Klassenzimmer 9, wenn es frei ist.
In diesen zwei Monaten haben wir Athen und Rom durchgenommen sowie das Parlament, die Regierung, die Gleichberechtigung, die Verfassung und den Streik. Außerdem das Akkusativobjekt, das Genitivobjekt
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