Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
fühlte ich mich pudelwohl: mit nackten Füßen auf einer eigens für mich gebauten Schaukel.
Deshalb war das, was dann geschah, so ungerecht.
Zunächst sah ich sie nicht, hörte sie nur: ein Zischen, das über den Brustkorb hoch bis zu den Ohren kletterte. Ich senkte den Blick, suchte sie.
Da.
Es war eine scheußliche Schlange. Sie kroch nach und nach hinter dem Baumstamm hervor, schnellte vorwärts, erreichte meine Sandale, wand sich um den Riemen, schüttelte den Kopf von einer Seite auf die andere.
Jedes Nachuntenschwingen der Schaukel forderte sie heraus, mich am Fuß zu packen, an allen beiden, sofern sie dazu in der Lage wäre. Und das war sie. Sie krümmte sich, nahm Anlauf, erwartete mich.
Da entfuhr mir zum ersten Mal jener Schrei: Er stieg von irgendwo tief unten in der Magengrube empor, durchstieß die Lungen, bahnte sich einen Weg nach oben, indem er den ganzen Oberkörper aushöhlte, nahm die Kehle in Beschlag, ließ die Zunge erbeben und vibrierte in der Luft mit einem schiefen, unterdrückten, verletzten Gleichnis, das verzweifelt versuchte, Papa zu erreichen, und es nicht schaffte.
Es ist ein unsinniger Schrei, den Zeit und Gewohnheit inzwischen gezähmt haben. Daher brauche ich mich nuraufzusetzen und das Licht einzuschalten. Daher weiß ich, dass alles in Ordnung ist, ich nicht auf der Stelle sterben werde und mich nicht schämen muss. Niemand hat etwas gehört.
»Hallo.«
Einige endlose Sekunden verharre ich regungslos auf der Schwelle zur Küche, ohne zu wissen, was ich dem Kerl erwidern soll, der mich, in Boxershorts und Unterhemd an der Kühlschranktür lehnend, auf diese Weise begrüßt. Glücklicherweise lächelt er, das wird uns aus der Verlegenheit retten.
»Hattest du einen Alptraum?«
Idiot.
Ich versuche, nicht laut zu denken, während ich die Arme verschränke und an mich presse.
»Savarese«, erklärt er. »Eigentlich Francesco, aber alle nennen mich beim Nachnamen, wenn du mich also Francesco nennst, könnte es sein, dass ich mich nicht angesprochen fühle.«
Ich nehme die Information zur Kenntnis und murmele meinen Namen. Trotz des Schmerzes in der Brust erkenne ich meine Stimme wieder und freue mich darüber.
Er steckt den Kopf in den Kühlschrank, holt eine Tüte Milch heraus, wendet sie hin und her, um eine Ewigkeit nach dem Verfallsdatum zu suchen. Eigentlich würde ich mich am liebsten wieder in mein Zimmer zurückziehen, aber mir zittern noch immer die Beine, also setze ich mich.
Ich schaue zu, wie er mit den Tassen herumhantiert, bis er eine gefunden hat, die ihm gefällt. Meine.
Es ist drei Uhr nachts. Wenn mir das in Neapel passierte, stand ich auf und lief im Flur umher. Ich ging in die Küche, legte mich dann auf die Couch, schaltete den Fernseher ein und zappte von einem Kanal zum anderen, ohne etwas anderes wahrzunehmen als ein Durcheinander von Farben und Tönen. Nach einer Weile kam auch Gianni, nahm mich in die Arme und schlief ein.
»Du hast mich nicht geweckt. Keine Sorge«, sagt der Eindringling. Er gießt sich eine gehörige Menge Milch ein und setzt sich. Wie ich sehe, hat er sich Kekse besorgt, und die beginnt er nun zu misshandeln, indem er zwei auf einmal in der Tasse ertränkt.
Er ist nicht hässlich. Wie sehr er auch seine Züge beim Kauen zu entstellen vermag, so sind sie doch keineswegs unattraktiv. Und seine in die Luft stehenden Haare haben lediglich eine bewegte Nacht hinter sich.
»Vielleicht findest du, dass ich unverschämt bin«, fängt er wieder an und verwandelt dabei die Kekse in einen zuckrigen Brei, »aber ich hatte schon Sex mit Mitbewohnerinnen. Ich weiß, wie das geht.«
Ich sage nichts. Offensichtlich wurde auch er im Internet aufgegabelt.
»Das heißt, ich habe nicht mit allen Frauen einer WG geschlafen. Außer ein einziges Mal. Ich will damit sagen, dass ich weiß, wie das in diesen Fällen funktioniert: Der Kerl bleibt zum Schlafen da, die andere weiß das, er läuft in Unterhosen herum, da gibt es kein Problem. Das sage ich auch für dich«, er richtet den tropfenden Kaffeelöffel auf mich, »wenn du mal zufällig in Slip oder Unterhöschen oder sonstwie rumlaufen solltest, so fühl dich durch meine Anwesenheit nicht eingeengt.«
»Danke.«
»Das wär ja noch schöner!«
Er bietet mir den breiigen Inhalt seiner Tasse an.
»Ich habe keinen Hunger.«
Wie sehr ich auch zur Tür blicke, es fällt mir schwer, Margherita Gestalt annehmen zu lassen. Ich versuche es trotzdem: Ich stehe auf und nehme die kleine
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