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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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stieß mit dem Finger nach mir.
    Ohne den Blick von mir zu wenden, trat er jedes Mal gegen den Tisch und zwar so, dass er indirekt mich traf.
    De Lucia wies ihn jedes Mal zurecht, brachte ihn dazu, sich hinzusetzen und begann mit dem Unterricht.
    »Lies«, sagte er eines Tages und setzte sich die Brille auf, die ihn älter aussehen ließ.
    Riccardi beugte sich über das Blatt. Seine krächzende Stimme buchstabierte ein paarmal, ehe sie verstummte.
    »Mach weiter, Andrea. Wenn du willst, dann können wir später am Computer arbeiten.«
    Riccardi wandte sich wieder dem Blatt zu. Einen Moment lang jedoch hob er den Kopf, ertappte mich dabei, wie ich ihn anstarrte.
    »Nein! Nein!«, brüllte er, sprang auf, fasste sich von hinten an die Ohren, um sie zusammenzupressen, sie sich abzureißen.
    »Alles in Ordnung, Andrea?«
    Riccardi blieb stehen, den Mund geöffnet, keuchte.
    »Nicht schreien!«
    »Hier schreit niemand«, sagte De Lucia, ganz ruhig.
    O doch, dachte ich. In Riccardis Kopf schreit jemand. Ihn nicht hören zu können ist, als ob man taub sei.
    »Ok. Weißt du, was wir machen? Wir lesen jetzt. Einer liest, und die anderen sind mucksmäuschenstill.«
    Riccardi ließ die Hände sinken, blieb noch eine Weile regungslos stehen, lauschte. Dann kehrte er an seinen Platz zurück. Mit über das Blatt gebeugtem Rücken begann er zu lesen, während er immer wieder zu mir ganz hinten am Tisch hinschielte.
 
    »Was machst du denn um diese Uhrzeit in der Küche?«
    Margherita ist noch ziemlich verschlafen, daher kann sie den Kerl, mit dem sie derzeit ins Bett geht, und ihre Mitbewohnerin, die sich um halb vier Uhr morgens am Küchentisch unterhalten, nicht sofort einordnen.
    »Und vor allen Dingen: Was hast du hier in der Küche zu suchen? Ich dachte, du wärst längst weg.«
    Er neigt das Haupt, legt die Hand aufs Herz.
    »Wie hätte ich das tun können?«
    Margherita verdreht die Augen und beginnt, im Küchenschrank herumzukramen. Es ist an der Zeit, die beiden allein zu lassen, wieder rüberzugehen. Ich bin jedoch kein bisschen müde.
    »Hast du sämtliche Kekse verputzt?« Sie schüttelt die Verpackung, die Savarese wieder an ihren Platz gelegt hat – leer.
    Er zuckt mit den Schultern. »Sie waren ja nichts Besonderes.«
    Ich verspüre einen heftigen Lachreiz, beherrsche mich aber, weil Margherita sich auf einen Stuhl fallen lässt und mich flehentlich ansieht.
    »Ist der Kaffee auch alle?«
    »Ich mach dir frischen.«
    »Für mich auch«, mischt sich Savarese ein, und während ich mich umdrehe, um die Espressokanne auszuspülen, sagt er:
    »Wir unterhalten uns gerade über Psycho.«
    Ich erstarre, halte die Kaffeedose in den Händen und weiß nicht mehr, warum ich sie eigentlich geöffnet habe. Plötzlich steht Riccardi neben der Spüle, fletscht die Zähne, klammert sich an der Arbeitsplatte fest und beginnt, hin und her zu schwanken.
    »Hast du ihn gerade Psycho genannt?«
    Savarese runzelt die Stirn.
    »Ja.«
    Andrea hört auf zu schwanken und fixiert mich mit zusammengezogenen Augenbrauen. Ich fülle Kaffee in die Espressokanne. Immer gebe ich zu viel rein, es quillt über. Als ich hochblicke, ist Riccardi verschwunden: Ich kann das Gas aufdrehen, entzünden, mir die Hände waschen, mich gegen den Küchenschrank lehnen.
    »Ja, nicht schlecht«, meint Margherita. »Aber auf der Psycho-Skala ist Vito der ungeschlagene Spitzenreiter. An manchen Tagen komme ich zur Arbeit, und er zählt die Spielkarten. Er ist überzeugt, dass jedes Mal, wenn Marcello sie anfasst, irgendeine davon verschwindet.«
    Margherita verzerrt ihre Stimme, indem sie einen ausgeprägt piemontesischen Dialekt nachahmt.
    »Und dann kann man nicht spielen. Wenn eine fehlt, wie soll ich da bitteschön spielen?«
    Savarese lacht. »Da hat er nicht Unrecht.«
    »Nein, nie«, bestätigt Margherita. Und sie meint es ernst. »Vito hat nie Unrecht. Er ist nur überbesorgt. Übergenau. Übersensibel. Er ist alles im Übermaß.«
    Der Kaffee kocht über und spritzt über die Herdplatte.
    »Warum hast du nicht den Deckel geschlossen?«, fragt ein kräftiger Mann mit auf der Stirn klebenden Haaren und einem kakifarbenen Pullover. Die Gestalt, die Vito jedes Mal für mich annimmt, wenn Margherita von ihm spricht.
    »Du hättest den Deckel schließen müssen. Ich mache das immer«, fährt er fort und setzt sich neben sie, betrachtet sie mit demselben Blick wie Savarese.
    Durchs Fenster dringt die erstickte Melodie eines Handys, das jemand gnadenlos klingeln

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