Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
Vom Netzwerk:
Garage landeten.
    Mit dem Comic-Heft in der Hand kehrte ich zum Tisch zurück. Mana Cerace, das Ungeheuer der Nacht, wird drei oder vier Leute niedermetzeln, ehe ihm Dylan Dog den Garaus macht. Vorausgesetzt, er hat es wirklich getan, was, wie ich mich zu erinnern meinte, nicht der Fall war. Ich blätterte in dem Comic-Heftchen, um mich zu vergewissern: Auch die Geschichte von Mana Cerace hielt sich an die Unsitte des offenen Schlusses.
    Vom Stockwerk über uns waren jetzt wieder Santojannis ruhelose Schritte zu hören. An manchen Tagen übertönen sie alles andere, aber sie erzeugen immerhin ein vertrautes Geräusch: ein unentwegtes Hin und Her ohne Sinn und ohne Ziel, lediglich ein beständiger, unaufhörlicher Rhythmus.
    Was immer auch geschehen sein mochte, plötzlich trat Stille ein. De Lucia würde herunterkommen, alles wieder normal sein.
    Oder beinahe.
    Riccardi fixierte mich. Ohne mich aus den Augen zu lassen, kroch er auf seinen Platz, strich sich die Haare aus der Stirn und deutete auf meine Hände.
    »Das da?« Ich hob das Heft hoch, um ihm den Einband zu zeigen. »Es ist ein Comic. Mit Zeichnungen. Nur schwarzweiß allerdings.«
    Ich ließ Dylan Dog auf den Tisch gleiten. Riccardi fuhr ein paarmal von seinem Stuhl hoch, dann packte er das Heft und zog es zu sich heran.
    »Darin gibt es einen Detektiv. Und es gibt Monster.«
    Er knallte es auf den Tisch, schlug es auf. Mit dem Finger tippte er auf das Gesicht von Dylan Dog, fuhr an denUmrissen entlang und blätterte die Seite um. Als er auf Mana Ceraces Fratze stieß, begann er zu schaukeln.
    »Er muss gegen sie kämpfen, das ist die Geschichte. Dylan Dog tötet die Monster, so können sie niemandem mehr etwas tun.«
    Riccardi blätterte das Heftchen durch, immer zwei Seiten auf einmal, als könne er das Ende nicht erwarten. Als er durch war, schnitt er eine frustrierte Grimasse.
    Mir wurde nun klar, dass mein beengendes Gefühl in der Brust mit dieser Grimasse zusammenhing. Und mit allen Gebärden Riccardis. Seinen gewalttätigen Gebärden. Mit seinem Geschrei. Also tat ich so, als sei er nicht im Zimmer, als spräche ich mit mir selbst.
    »Da ist dieses Monster, das im Dunkeln lebt. Es existiert nicht wirklich, es ist nur eine Geschichte. Aber dieses erfundene Monster ist wirklich grauenhaft.«
    Riccardi murmelte: »Quatsch nicht so viel.«
    Ich redete trotzdem weiter.
    »Man muss sehr mutig sein, um gegen Monster zu kämpfen. Aber das ist Dylan Dog zum Glück.«
    Schweigen.
    »Mana Cerace zum Beispiel ist das Monster der Finsternis. Ihn zu besiegen ist ungeheuer schwer, aber Dylan Dog schafft es schließlich doch. Und weißt du, wie?«
    Riccardi ließ das Comic-Heft zufallen. Er fing wieder zu schaukeln an, langsam.
    »Wie?«
 
    Margherita steht auf, stellt die Kaffeetasse in die Spüle.
    »Und was ist mit dem eingesperrten Jungen passiert?«, fragt sie gähnend.
    Ich stelle mir die Szene vor, wie De Lucia sie mir geschildert hat: Blutspritzer an der Wand, Santojanni, der die Hand zur Faust ballt, ohne sie zu öffnen. Der Vogelkäfig auf dem Boden, offen.
    »Ich weiß es nicht genau. Es ist aber nicht das erste Mal. Es gab einen Vorfall in seinem ersten Jahr an der Schule, deshalb wird Santojanni mit einem Kleinbus bis vor den Eingang der Schule gebracht, und dann von meinen Kollegen direkt in den obersten Stock geführt.«
    Wir verharren in Schweigen und stellen uns Türme vor, noch höher als mittelalterliche Burgen, mit rostigen Vorhängeschlössern verriegelte Zimmer, verrückte, von den Ehemännern getrennte Ehefrauen in einem unzugänglichen Raum im finstersten Teil des Hauses.
    »Vielleicht fing er nur an zu onanieren«, sagt Margherita.
    Savarese und ich blicken sie an.
    »Was ist schon dabei? Seine Kameraden machen es ständig. Bloß nicht in der Öffentlichkeit.«
    »Wenn ich mich recht erinnere«, pflichtet Savarese ihr bei, »hätten sie mich mit einem Gewehr niederschießen müssen, um mich davon abzuhalten.«
    »Und jetzt möchte ich schlafen gehen«, beendet Margherita das Gespräch.
    Sie wünscht uns eine gute Nacht und tritt in den dunklen Schlund des Flurs, ohne Licht zu machen.
    Savarese erhebt sich und rückt den Stuhl zurecht.
    »Wir sehen uns morgen«, sagt er.
    Mein Zimmer ist so, wie ich es vor einer Stunde verlassen habe: fremd und kalt. Der Wecker auf dem Nachttisch zeigt halb fünf. Die Nacht ist gelaufen.
    Ich höre die Stimme, dann spüre ich die Hand auf meiner Schulter. Einen Moment lang verschlägt es mir den Atem, aber

Weitere Kostenlose Bücher