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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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jeder in der Klasse verbrachten Stunde überziehen Millionen von Keimen die Bänke und Klassenbücher, pflanzen sich fort und wandern von einer Hand zur anderen, indem sie sich an jeden geliehenen Kugelschreiber klammern. Sie umzingeln mich. Wenn ich mir dieHände wasche, fühle ich mich erleichtert bei dem Gedanken, dass sich die Krankheit im Waschbecken notgedrungen verflüssigen muss.
    Seit gestern ist der Koffer gepackt. Ich bin schon so gut wie unterwegs.
    Margherita sitzt auf dem Sofa. Der Fernseher läuft, ist aber ganz leise gestellt. Ich setze mich neben sie.
    »Das übliche Scheißweihnachten.«
    Ich kann es ihr nicht verdenken.
    »Hast du mit Savarese gestritten?«
    Sie verdreht die Augen.
    »Wer ist das?«
    Ich hebe die Hände. Ich weiß auch nicht, wie ich darauf gekommen bin.
    »Sie sagen, sie hätten entschieden, dass es für alle das Beste sei, den Vertrag am Ende des Monats nicht zu verlängern.«
    Scheiße.
    Margherita schaltet auf ein anderes Programm um.
    »Das tut mir leid.«
    »Ich bitte dich! Irgendwas werde ich schon finden.«
    Mir ist klar, dass weiter darüber zu sprechen so wäre, als wollte ich sie unbedingt nackt sehen.
    »Fliegst du morgen?«
    Beim Gedanken an die Heimreise habe ich mich nicht mehr unter Kontrolle, lächle und fühle mich sofort schuldig.
    »Fährst du auch nach Hause?«
    Margherita macht mit dem Arm eine ausladende Gebärde und richtet die Fernbedienung auf die Wände.
    »Ich bin zu Hause.«
    Ich nehme mir vor, nichts mehr zu sagen. Meinetwegen können wir einfach nur fernsehen.
    Margherita springt vom Sofa auf. Ich höre sie in die Küche schlurfen und in der Schublade nach dem Korkenzieher suchen, der vor ein paar Wochen zwischen den Tellern gelandet war, die wir zum Abtropfen in die Spüle gestellt hatten, und dort ist er liegen geblieben.
    »Weißt du, was mir leidtut?« Sie hantiert an einer Flasche Barbera herum, wartet, bis sie den Korken gezogen hat, bevor sie fortfährt: »Das Moped für Vito habe ich nicht mehr aufgetrieben.«
    Sie gießt eine großzügige Menge Wein in zwei Gläser, die aus dem Nichts aufgetaucht sind. Wenn ich mich jetzt betrinke, schaffe ich es dann trotzdem noch, morgen früh das Flugzeug zu kriegen?
    »Es ist nicht leicht. Diese Mopeds bekommt man nicht mehr«, sagt sie. Dann seufzt sie und verschwindet in ihrem Zimmer. Ich trinke weiter, nur um mir das Warten zu verkürzen.
    Margherita kommt mit einem uralten Fotoalbum zurück. Schnell blättert sie die Seiten durch, gibt es mir dann. Was ich sehe, ist das verblasste Bild eines bärtigen Mannes in einem Siebziger-Jahre-T-Shirt, der eine Garelli umarmt, während ihn eine auf dem Gehsteig daneben sitzende junge Frau mit Zigarette in der Hand von unten herauf anschaut.
    »Das ist genau das gleiche wie das von Vito.«
    »Haben sie es denn nicht mehr?«
    Sie zuckt mit den Schultern.
    Ohne sie um Erlaubnis zu bitten, beginne ich, das Album durchzublättern. Margherita zögert einen Moment, ehe sie wieder anfängt zu trinken. Vier Seiten mit Fotos zeigen dieselbe Szene: einen Leichenzug.
    Rasch blättere ich weiter: Der Vater trägt keinen Bart mehr, ein kleines Mädchen verwandelt sich in die blutjunge Margherita mit langen Haaren über den geschminkten Augen, neue Gesichter tauchen auf und verschwinden im Verlauf von wenigen Seiten. Ich klappe das Album zu und lege es auf den Couchtisch.
    Nach einer Weile greift sie danach, öffnet es auf ihren Knien.
    »Ich«, sagt sie und zeigt auf das kleine Mädchen. »Meine Mutter«, fährt sie auf der nächsten Seite fort. Ich erkenne das Foto wieder, das ich vor Monaten in ihrem Kleiderschrank entdeckt hatte.
    »Mein Vater.« Sie deutet auf den bärtigen Mann, der ein kleines Mädchen um die Hüften fasst, das über eine von acht Kerzchen durchbohrte Sacher-Torte pustet.
    »Meine Mutter«, sagt sie und verweilt bei der Seite mit dem Begräbnis. Mit dem Finger zeichnet sie das Profil einer Schramme auf der Plastikfolie nach, die die Fotos umhüllt und schützt.
    »Die hier habe ich gemacht.«
    »Du fotografierst wirklich sehr gut.« Mehr fällt mir in diesem Moment nicht ein. Margherita nimmt es mir nicht übel. Sie schließt das Album und legt es weg. Amen.
    »Eine Sacher als Geburtstagstorte?«, frage ich.
    »Einer der wenigen Kompromisse, auf die sich meine Eltern verständigen konnten: Schokolade und Marmelade.«
    Acht kleine Kerzen. Es ist zwanzig Jahre her.
    »Stoßen wir an.«
    »Ich bin sauer.« Wir schenken uns nach.
    »Auf Psycho, der ab

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