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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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die Mama in Begleitung des Arztes zurück.
    Es ist alles in Ordnung: Das Geschrei und das hektische Gerenne haben keine pathologische Ursache.
    Das habe ich dir doch gesagt, liegt es dem Ehemann auf der Zunge, aber vor dem Arzt wäre das unpassend. Es rutscht ihm trotzdem heraus, macht nichts, ja, er findet sogar Gefallen daran.
    Sie schütteln einander die Hände, verabschieden sich. Der Kleine lässt sich in den Gang zerren, die Knie schleifen auf dem Boden, der Rücken krümmt und streckt sich wie eine Stahlfeder. Der Arzt hebt den am Boden liegenden Turm aus Legosteinen auf.
    »Warten Sie«, sagt er.
    Als sie an diesem Abend nach Hause kommen, stürzt sich die Mama sogleich ins Schlafzimmer, öffnet die Schublade und zieht das rote Tagebuch heraus. Sie setzt sich aufs Bett und blättert darin.
    Ein himmelhoher Turm aus Legosteinen, alle gelb.
    Wir haben uns Pinocchio angesehen. Und dann noch einmal. Du hast Recht, Liebling, er ist gar zu schön.
    Ein, zwei, drei Teller Suppe heute. Ich musste dir den Löffel wegnehmen, sonst hättest du weitergegessen.
    Soeben hast du »Mama« gesagt. Papa meint, dass es nur ein »aaa« war, aber ich bin mir sicher.
    Zwei Zwillingstürme aus gelben Legosteinen. Du hängst sehr daran, wir dürfen sie nicht anfassen. Du beißt.
    Kreise faszinieren dich. Du zeichnest einen nach dem anderen, sogar auf die Wände (du Bengel!). Versuchst du, die Sonne zu malen? Ist das deine Antwort auf den Kubismus?
    Sag »Mama«. Nur ein einziges Mal. Papa wird nichts davon erfahren, es bleibt unser Geheimnis.
    Es reicht jetzt, ich bitte dich. Wir haben den Pinocchio satt, mein Kleiner. Wir können nicht mehr.
    Die Frau schließt das Tagebuch. Sie ahnt, dass sie von nun an nichts mehr selbst entscheiden werden. Wenn dies ein Film wäre, käme jetzt der Ehemann zu ihr und nähme sie in den Arm. Aber er sitzt drüben und schält dem älteren Sohn einen Apfel. Sie denkt, dass er ihm ähnlich, dass er ganz sein Vater ist.
 
    »Warum müssen wir das lesen?«
    Mattia bummelt durchs Zimmer, die Hände in den Hosentaschen.
    »Weil es eine schöne Geschichte ist. Bist du nicht gespannt?«
    Für die Literaturwerkstatt habe ich Zanna Bianca ausgewählt. Soweit ich mich erinnere, wird Zanna Bianca von den Hunden des Indianerdorfes, in dem er lebt, gemieden und ausgegrenzt, nur weil er ein Wolf ist. Sie können seine Natur nicht ändern, können ihn nicht daran hindern, das zu sein, was er ist, oder ihn sich gleich machen. Sie können nur grausam sein, und das sind sie.
    »Hast du gewusst, dass sie da oben einen kleinen Vogel gehalten haben?«
    Mattia fuchtelt mit den Händen herum, formt einen unsichtbaren Käfig, der auf dem Fensterbrett steht. »Und hast du gewusst, dass hier ein Junge war, der eine Lehrerin getötet hat?«
    Er hat die Stimme gesenkt, als sei jemand ganz in der Nähe, der mithört.
    »Aha?«
    »Ja. Im ersten Jahr, als er hierher kam. Vor drei Jahren. Oder länger. So genau erinnere ich mich nicht.«
    »Und woher weißt du das?«
    Mattia blickt auf seine Schuhe, überlegt, ob es sich um einen Vorwurf handelt, und weswegen ich wütend bin. Warum darf er es nicht wissen oder sagen?
    »Sie haben es mir erzählt.«
    Die Pausenglocke ertönt: Nun beginnt die Literaturwerkstatt offiziell. Ich gehe zur Tür und sehe sie kommen: Wie eine langsame, humpelnde Armee rücken die behinderten Jugendlichen der ersten beiden Gymnasialklassen heran, teils auf krummen Beinen, teils in Rollstühlen, die von ihren Lehrerinnen geschoben werden.
    »Das kann nicht stimmen. Bist du dir sicher, Mattia?«
    Er nimmt das Buch vom Tisch, legt es dann wieder zurück.
    »Warum nicht?«
    Als sie hereinkommen, steht Mattia augenblicklich auf und verzieht sich vors Fenster.
    »Prima«, sage ich sofort. »Machen wir Platz.«
    Es sind drei Jungen und zwei Mädchen. Zwei Kolleginnen, die ich nicht kenne, helfen ihnen, sich hinzusetzen: Man muss den Rollstuhl im richtigen Abstand von den Tischbeinen fixieren, den einen Schüler überzeugen, dass sich der Stuhl nicht von selbst nach hinten schieben wird, einem anderen Papiertaschentücher in die Hand drücken, damit er sich den Speichel abwischen kann, der ihm aus dem Mund läuft.
    Da sind sie also, denke ich: Parco, Sid, Rita, Dip, Idra.
 
    »Glotzt sie nicht an, als ob ihr eine Eintrittskarte bezahlt hättet. Es kann durchaus sein, dass sie langgezogene oderplattgedrückte Gesichter haben, dass ein Auge herunterhängt.« Biagini ging im Seminarraum auf und ab, griff sich mit den

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