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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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hier seit jeher damit leben, die Kälte ihnen ganz normal erscheint und sie sich anpassen. So wird es auch mir gehen. Man übersteht alles.
    Ich finde es zwar nicht immer auf Anhieb, aber allzu lange brauche ich nie: Das Bounty ist eines jener Lokale für Leute, die nicht gerne tanzen, sondern bloß etwas trinken und Musik hören wollen, zu der man sich unterhalten kann. Wenn ein Barhocker frei ist, gehe ich schnurstracks zum Tresen.
    Margherita stellt mir eine Cola mit Rum hin, steht mir gegenüber und nimmt das Spülbecken mit dem Berg schmutziger Gläser in Angriff.
    »Neuigkeiten?«
    Ich weiß nicht, ob sie auf Riccardi oder Gianni anspielt. Ich weiß nur, dass es keine gibt. Also rede ich schließlich über etwas, das ich in der Zeitung gelesen habe. Oft erzähle ich ihr von Neapel, von dem, was wir dort unternommen haben, als wären es keine Erinnerungen, sondern aus dem Augenblick heraus erfundene Geschichten, Episoden aus dem Leben einer Person, die von einem Ort weggegangen, aber nie an einem anderen angekommen, sondern irgendwo unterwegs verschollen ist.
    Heute Abend sind nur wenige Leute da.
    »Sie haben Vito ins Quadrifoglio verlegt. Es ist eine schöne Einrichtung mit ein paar Bewohnern und einem Sozialarbeiter. So wird er ein wenig unabhängiger sein, und ruhiger.« Margherita lächelt, ohne sich dessen bewusst zu sein.
    »Vorausgesetzt, sie kaufen kein tiefgekühltes Zeug. Vito hasst Tiefkühlkost. Man kann ihn nicht mit Leuten zusammenleben lassen, die so etwas essen. Das ist sein Kryptonit.«
    Tja, lieber Vito, der Außenseiter bist du: Du solltest dich anpassen.
    »Ich soll jetzt mit der Literaturwerkstatt für die behinderten Jugendlichen beginnen.«
    »Hurra.«
    Ich hebe meine Rum-Cola. Margherita stößt mit einem Glas Seifenlauge an, tut so, als würde sie davon trinken und es ganz passabel finden. Wann hat das angefangen? Wann haben sie entschieden, dass die Welt unserer Eltern am Ende ist und wir uns nun um den traurigen Rest raufen müssen?
    »Hat Gianni dich angerufen?«
    Es muss die Musik sein, die die Gäste heute Abend fernhält. Zu altes Zeug.
    »Nein. Er lässt mir Zeit.«
    Margherita wischt kurz mit dem Geschirrtuch über den Tresen.
    »Das ist ja ein netter Typ.«
    Ich denke an das erste Mal, als ich Gianni sah, auf dem Platz vor der Uni. Ich saß auf dem Brunnenrand und las. Er ging mit Luigi vorbei, der an ihm dranklebte. Seine aufdringliche Stimme zwang mich, meine Lektüre zu unterbrechen. Ein Zigeunermädchen war ihnen nachgelaufen, rief ihn beim Namen. Gianni stülpte seine Hosentaschen nach außen, fand nichts, also streckte er ihr die Hand hin und vertröstete sie auf den nächsten Tag. Das Mädchen ergriff sie mit ernstem Gesicht.
    »Ja, ein netter Typ.«
    Margherita entfernt sich, um zwei Gäste zu bedienen, ein Paar. »Netter Typ« sagt sie nicht zum ersten Mal, und ich habe den Eindruck, dass sie mir, wenn sie so redet, das Eingeständnis abringen will, dass Gianni im derzeitigen Panorama potenzieller Partner heraussticht. Wenn ich den Barhocker ein bisschen drehe, habe ich sie alle vor mir, meine Altersgenossen.
    »Was sagst du zu dem da?«, fragt Gianni, der soeben auf dem Hocker neben mir Gestalt angenommen hat.
    Ich schüttele den Kopf.
    »Er gestikuliert wie ein Idiot.«
    »Das ist ja keine Todsünde.«
    »Doch, wenn du nicht rechtzeitig damit aufhörst.«
    Gianni lacht.
    »Und der da?«
    Er deutet auf einen Typen mit Bart, der schweigend am Ende des längsten Tisches sitzt.
    »Die Seele des Festes?«
    Er schneidet eine missbilligende Grimasse.
    »Na schön, ok. Er inspiriert mich nicht.«
    »Er inspiriert dich nicht.«
    »Nein.«
    Ich bitte ihn, aufzuhören, doch er blickt sich weiter um, beobachtet die Leute, wie sie sich bewegen, was sie sagen, welche Schuhe sie tragen, sucht vergebens nach einem, der zu mir passen könnte.
    »Der da.«
    Ich kann den Blick nicht von seinem Profil wenden: der Anflug eines Zweitagebarts, die Form des linken Auges, der Ohrring.
    »Schau doch mal.«
    Ich folge der Richtung seines ausgestreckten Fingers bis zu der Säule mitten im Lokal.
    »Wer? Emanuele Filiberto?«
    Ein Mann um die dreißig, großgewachsen und geschniegelt, unterhält ein paar hübsche junge Frauen mit einem detaillierten Bericht über seinen Skiurlaub im Aostatal.
    »Er verdient es nicht, Kinder mit mir zu haben.«
    »Nein, nicht der, der andere.«
    Jenseits der Säule verfolgt eine Gruppe junger Leute ein Fußballspiel auf dem an der Wand befestigten Bildschirm ohne

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