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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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ranzukommen, »die Leute sind gut im Reden. Sie tun nichts anderes.«
    »Aber wer tut schon, was er sagt?«
    Margheritas Handy fängt an zu klingeln.
    »Und neunmal«, kommentiert sie und drückt ihre Zigarette aus.
    Ich gebe nicht auf. Irgendwo erwartet Savarese, das Telefon am Ohr, dass ich es tue: Ich schnappe mir das Handy und gebe es ihr. »Das ist doch schon mal was.«
    »Eine strafbare Handlung«, antwortet sie und geht nicht ran. Dann schaltet sie das Handy aus und deutet genervt auf den Computer. »Mach, dass du fertig wirst. Ich brauche deine Hilfe: Ich muss mir einen neuen Job suchen.«
 
    Die Belcari liest das Projekt von der ersten bis zur letzten Zeile. Ich hatte gehofft, sie würde es in die Tasche stecken und es mir später zurückgeben, anstatt mich hier warten zu lassen, bis sie fertig ist.
    »Traust du dir das wirklich zu?«
    »Sicher.«
    Wie gewöhnlich tritt die Falte auf ihre Stirn, wiederholt die Frage.
    »Ich denke, Petar wäre für die Lektüregruppe sehr hilfreich. Und ebenso auch andere Mitschüler Riccardis. Sie müssen sich aneinander gewöhnen.«
    Grazia blickt wieder auf mein Exposé. Schaut nach, ob »sich gewöhnen« tatsächlich drinsteht.
    »Der Gedanke ist der, eine Gruppe aus Behinderten und Nichtbehinderten auf die Beine zu stellen. Geben wir doch dieser Sache eine Stunde pro Woche, bringen wir die Schüler dazu, sich aufeinander einzustellen, miteinander zu interagieren. Für den Anfang eignet sich das Buch ganz gut, danach gehen wir in die Kunstwerkstatt.«
    »Ja, hab ich gelesen.«
    »Es wäre gut, wenn sie ein wenig Zeit miteinander verbringen könnten.«
    Ich bemühe mich, überzeugend zu klingen. Begeistert.
    »Ich weiß nicht«, sagt Grazia. »Das würde bedeuten, die normalen Unterrichtsstunden zu kürzen.«
    »Nur die Religionsstunde.«
    Sie sieht mich an.
    »Ach komm, Grazia, am Religionsunterricht nimmt doch sowieso nur die halbe Klasse teil. Und eine alternative Unterrichtsstunde gibt es nicht, weil wir niemanden bezahlen können, der sie hält.«
    Weiter sage ich nichts mehr, sondern lasse ihr Zeit, sich die Gruppen der Schüler bildlich vorzustellen, die unbeaufsichtigt in der Bibliothek herumlärmen.
    »Wir haben bereits ein Projekt. Therapeutisches Reiten.«
    »Ich weiß«, sage ich. »Eine sehr gute Sache. Aber nur für Behinderte.«
    Meine Stimme klingt müde, sie merkt es. Ich bleibe hartnäckig.
    Wird auch Petar in die Werkstatt kommen?
    Tut mir leid, Mattia. Du bist der einzige Außenseiter.
    »Ich weiß nicht«, wiederholt Grazia. »Es könnte der üblen Angewohnheit von Leuten Nahrung geben, die dir bei der ersten Unannehmlichkeit einen armen Teufel ins Förderbüro schicken.«
    Ich zucke mit den Schultern. Du hast gewonnen: Es war ja nur eine Idee.
    »Verstehe«, sage ich. »Du hast Recht, es war ja nur eine Idee.«
    Ich lasse das Exposé auf dem Pult liegen und stehe auf, weil ich in die Klasse muss. Ich zähle bis drei, dann sageich betont langsam: »Sie haben Angst vor Andrea. Ihn besser kennenzulernen ist eine Möglichkeit, diese Angst zu verlieren.«
    Sie seufzt.
    Ich zähle erneut bis drei.
 
    Es steht fest: Auf den letzten zwanzig Seiten ist Zanna Bianca zu einem blutrünstigen Raubtier geworden. Da er um sein Leben kämpfen muss, erledigt er einen Hund nach dem anderen, angestachelt von den wütenden Schreien der Wettenden.
    Meine Kollegen schauen mich groß an und versuchen, hinter den erzieherischen Wert der Geschichte zu kommen. Auch ich frage mich, worin er besteht, und die einzige plausible Antwort ist, dass ich Zanna Bianca gegen Ruf der Wildnis getauscht habe.
    Rita schnappt nach Luft.
    »Aber ist Zanna Bianca denn böse?«
    »Nein, natürlich nicht«, erkläre ich ihr. »Denken wir an die Hunde, die er getötet hat: Was haben sie ihn durchmachen lassen?«
    Dip schüttelt den Kopf, die Hände.
    »Sie haben ihn kaputtgemacht. Und dann hat er sich eben auf sie gestürzt. Ich hätte das auch getan.«
    Den Kopf über die Bank gebeugt, kritzelt Mattia auf einem Blatt Papier herum.
    »Das meinte ich aber nicht. Ich wollte Folgendes sagen: Wenn wir in einer feindlichen Umgebung leben würden, wo uns alle schlecht behandeln und wir nicht einmal was zu essen haben, könnte es sein, dass auch wireinen schlechten Charakter hätten. Oder es uns einfiele, schlimme Dinge zu tun. Um zu überleben. Daher ist jemand, der uns verletzt oder uns Böses antut, möglicherweise gar nicht böse. Er ist traurig. Er ist einsam. Wie Zanna Bianca.«
    »Ich hau ihm

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