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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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mir diese Küche in zehn Jahren vor mit Mattia, der ihm zur Hand geht. Emilio weist ihn darauf hin, dass er mit dem Abwasch dran ist, sie haben es auf die Schiefertafel am Eingang geschrieben. Mattia sagt, er erinnere sich. Er fragt ihn, ob sie Karten spielen könnten, wo er doch er alles abgetrocknet hat.
 
    Ich gehe zum Treppenabsatz hinaus, trete dabei auf die halbrunde Schleifspur, wo der Türflügel den Fußboden beschädigt hat, weil er durch jahrelanges Öffnen und Schließen darüber streifte. Emilio bleibt drin, lehnt sich gegen die Tür.
    »Danke, dass du gekommen bist. Ich dachte, du solltest das wissen: Du fehlst hier überall.«
    »Es war mir ein Vergnügen.«
    Ich gehe zum Aufzug.
    »Ich konnte es nicht fassen, dass sie dich entlassen haben.«
    »Wie geht es Elena?«
    »Sie hat einen Teilzeitjob angenommen.«
    »Warum machst du so ein Gesicht?«
    »Du weißt, warum: Es ist praktisch eine Vollzeitbeschäftigung für sechshundert Euro im Monat.«
    »Aber sie hat sich damit zufriedengegeben.«
    »Damit kann niemand zufrieden sein.«
    »Sie hat angenommen, oder nicht?«
    »Von Annehmen kann keine Rede sein: Es ist reine Resignation.«
    »Das klingt nach Jim Morrison.«
    »Gott hab ihn selig.«
    Der Aufzug ist da.
    »Mach's gut«, sagt Margherita und lässt ihn an der Tür stehen.

13
    Seine Pranken haben etwas Monströses. Nicht die hinteren, die sind ganz in Ordnung: kleiner, abgewinkelt, eingerammt um den Ast aus Pappmaschee. Monströs sind die vorderen Pranken.
    Wenn ich in Klassenzimmer 9 unterrichte, kann es passieren, dass ich die Augen hebe, nach dem Leguan suche und ihn auf dem Fensterbrett oder auf dem Bücherregal finde. Sofern er dort nicht ist, brauche ich nur im obersten Fach des Schranks nachzusehen. Er wächst von Tag zu Tag.
    In den letzten Monaten hat Riccardi die Krallen modelliert und bei jedem Misserfolg geflucht. Stück für Stück hat er sie angeklebt und den überschüssigen Leim mit dem Ärmel seines Hemds weggewischt. Er hat sie gekrümmt, um der Pranke, die sich nach vorn streckt, eine Richtung zu geben und der, die auf dem Baumstamm ruht, einen Halt.
    Die Pranken sind jedoch etwas danebengegangen: Die eine hat fünf Zehen, die andere nur vier.
    Mit De Lucia haben wir darüber gelacht. Wir zählen sie nicht mehr, nehmen es hin, dass sie sich jedes Mal, wenn wir die Skulptur verrücken, in unseren Pulloverärmeln verfangen, dass sie ein paar Wollfasern ausreißen, uns die Arme zerkratzen.
    Seit einer Woche arbeitet Riccardi nun am Kopf des Leguans. Zuerst zerstörte er seinen ersten Versuch, dannhöhlte er einen schiefen Schlund aus, den er mit Draht verstärkte, damit er offen blieb.
    Jetzt kann der Leguan beißen, brüllen, sich satt fressen.
 
    Ich betrete das Klassenzimmer, lege die Tasche ab, warte darauf, seine Schritte im Flur zu hören. Der Morgen läuft nach einem Drehbuch ab, das gemäß dem Vortag improvisiert werden muss.
    »Hallo, Andrea.«
    Ich lasse ihn zu seinem Platz rennen, das Heft und das Federmäppchen herausholen, ein wenig schaukeln. Der Unterricht beginnt mit Italienisch. Wir auch. Ich nähere mich mit meinen Büchern, den Begleitbögen zu Literatur und Geschichte, die ich für ihn vorbereitet habe.
    Ich zeige mit dem Finger auf die leeren Stellen des Testbogens. Mit jedem Tippen auf das Blatt erteile ich einen Befehl, ohne den Mund zu öffnen. Andrea reagiert: Er schreibt Vornamen, Nachnamen, Datum, Klasse hin. Als ob seine fürchterliche Klaue nicht schon Unterschrift genug wäre. Als ob sein Test mit dem eines anderen verwechselt werden könnte.
    »Gut«, sage ich am Ende der Stunde. »Heute warst du wirklich gut.«
 
    »Barellieri.«
    »Hier.«
    »Coppola.«
    »Hier.«
    Wir haben das Kunstgeschichtsbuch aufgeschlagen vor uns liegen. Leise wiederhole ich die Definition des Kapitells. Andrea hat sich eine Hand in den Mund gesteckt, schaukelt vor und zurück.
    Nicolinis Anwesenheitsabfrage geht weiter, gelegentlich unterbrochen vom Schweigen der Abwesenden.
    »Nimm die Hand aus dem Mund: Sie ist schmutzig.«
    Andrea kümmert sich nicht darum: Er schaukelt vor und zurück und flucht dabei halblaut vor sich hin. »Du holst dir eine Krankheit«, insistiere ich, ohne ihn anzusehen. Noch immer verwechsele ich den dorischen Stil mit dem ionischen.
    »Marini, Nevio, Nocella.«
    Zwei Seiten über die ionische Säule, nichts über die beiden anderen. Ich blättere das Buch bis zu den Etruskern, zu den Römern durch, dann wieder zurück.
    »Riccardi, Riccardi«,

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