Der letzte Agent
Sie auch nicht gerade ein vorsichtiger Typ sind. Seien Sie auf der Hut!«
»Bin ich doch immer«, sagte ich und ging. Er war ein guter Typ, es war das erste Mal, dass mir jemand in so einer hohen Position gefiel.
Wir machten uns aus dem Staub, und Clara setzte sich sofort auf die Rückbank, rollte sich zusammen, bedeckte sich mit einem alten Parka, den ich dort deponiert hatte, und sagte: »Weck mich nie mehr auf.« Nach ein paar Minuten war sie eingeschlafen. Sie schlief unruhig, sie drehte sich hin und her, sie träumte wild. Sie hatte offensichtlich vor etwas Angst, aber ich konnte keines ihrer Worte verstehen.
Wenn man über Köln und Euskirchen in die Eifel hinauffährt, verlässt man die Zivilisation und beginnt sich im Angesicht des hinterlistigen Bergvolkes wirklich wohl zu fühlen. Ich dachte nicht über diesen Fall nach, ich glaube, dass ich überhaupt nichts dachte. Ich war viel zu erschöpft. Als die lange Steigung begann, hängte ich mich hinter einen Lastzug voll Gerolsteiner Sprudel und döste vor mich hin. Ich würde duschen und wahrscheinlich zwanzig Stunden schlafen. Irgendwann würde Tante Anni eines ihrer Operettenlieder grölen – und wahrscheinlich würde ich sie erwürgen. Irgendwann war ich das Dösen satt, überholte den Lastzug und zog los. Eine sehr rote Sonne begann im Osten hochzusteigen, wahrscheinlich würde es warm werden.
Dann sah ich den Motorradfahrer, eine vollkommen schwarze Figur auf einer ebenso schwarzen Maschine. Er trug einen feuerroten Schal um den Hals, der lustig hinter ihm herflatterte. Er kam mit hoher Geschwindigkeit heran und war wie ein Blitz vorbei. Wahrscheinlich fuhr er weit über zweihundert Kilometer die Stunde. Möglicherweise war er einer dieser Irren, die mit den Rekordzeiten ihres Lieblingsfahrers im Ohr zum Nürburgring rasten, um die Zeiten zu verbessern. Vielleicht war er einer dieser Freaks, die irgendwann als blutige Bündel verrecken, weil sie der Braut auf dem Soziussitz unbedingt zeigen müssen, dass sie hohe Geschwindigkeiten nicht beherrschen.
Ich schaltete WDR 2 ein und hörte eine Weile den Nachrichten und der Musik zu. Am Ende der Autobahn bog ich nach links auf Hillesheim zu, hielt kurz an, um zu pinkeln, und beobachtete dabei eine Nachtigall, die besoffen vor Lebensfreude über einen Wiesenhügel taumelte.
Clara wurde wach und fragte gähnend, ob wir wohl ein Frühstück kriegen würden. Dann schlief sie wieder ein.
Ich überquerte die Kreuzung mit der Ahrtalstraße. Plötzlich war die schwarze Figur des Motorradfahrers wieder hinter mir. Er überholte nicht, er nahm meinen Windschatten und blieb hinter uns. Ich weiß nicht, warum ich plötzlich unruhig wurde, vielleicht war es Übermüdung, gesteigerte Phantasien unter Erschöpfung.
Er fuhr eine schwarze Yahama Genesis, und ich wunderte mich darüber, denn ich glaubte zu wissen, dass man dieses Geschoss nur in Weiß-Rot kaufen kann. Aber vielleicht gehörte er zu den Verrückten, die eine neue Maschine kaufen und sie sofort umspritzen lassen, um sich und der Welt zu beweisen, dass sie völlig aus dem Rahmen fallen. Ich wurde langsamer und schaltete in den dritten Gang zurück, dann in den zweiten. Ich kroch das Ende der Steigung hoch. Und um zu beweisen, dass ich mir absolut nichts dabei dachte, hielt ich schließlich an und begann mir eine Pfeife zu stopfen. Er zog langsam an mir vorbei und lockerte dabei fröhlich seine Beine. Das Visier seines Helms funkelte schwarz.
»Wer ist denn das?«, fragte Clara hinter mir.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Ich fahre sofort weiter, ich will nur warten, bis die Pfeife richtig brennt.«
In der lang gezogenen Linkskurve in Höhe Mirbach lehnte er mit dem Hintern an der aufgebockten Maschine und sah mir entgegen. Er hatte etwas in der Hand. Als ich sah, dass es so etwas wie eine Maschinenpistole war, blieb keine Zeit zu bremsen. Ich schrie: »Nimm den Kopf runter, wirf dich hin!« und gab Gas. Der erste Schuss zertrümmerte die Windschutzscheibe. Weil ich die Augen zu lange geschlossen hielt, während mir das Glas in kleinen Bröckchen um die Ohren sauste, musste ich den Wagen fangen und geriet einen Augenblick lang ins Schleudern, wurde zu langsam und musste in den zweiten Gang zurückschalten.
»Nein!«, schrie Clara.
»Kopf runter!«, schrie ich und schaltete hoch.
Im fünften Gang war ich jetzt bei einhundertzwanzig, aber viel mehr als einhundertsechzig würde der Wagen nicht hergeben. Ich hatte einen Vorsprung von etwa vierhundert
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