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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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verdammt schlank sein, dass sie keine Kugel erwischt hat. Die Karre sieht ja aus wie eine Fliegentür. Und wie geht es dem Journalisten?«
    Ich weiß, dass ich versuchte, vom Stuhl aufzustehen, und dass ich dabei fast auf den Flickenteppich meiner Küche fiel. Irgendwie muss ich dann doch den Weg ins Bett geschafft haben. Ich wurde wieder wach und stellte mit einem Blick fest, dass draußen die Sonne schien.
    In der offenen Tür stand Clara Gütt, nackt und ziemlich hübsch und fragte zittrig wie ein kleines Mädchen: »Kann ich mich zu dir legen?«
    Ich weiß nicht, was ich antwortete, ob ich überhaupt antwortete. Ich weiß nur, dass sie sich an mich kuschelte, irgendetwas flüsterte.
    So lagen wir da, ich und Clara, die ich anfangs gar nicht besonders gemocht hatte. Aber darauf kam es gar nicht mehr an. Irgendwie reizte sie mich, irgendwie konnte ich gut verstehen, dass sie in einer heillosen Krise steckte. Zu erkennen, dass man über Jahre hinweg etwas in der eigenen Umgebung nicht sieht, nicht begreift, nicht begreifen will – um dann plötzlich unsanft geweckt zu werden, das muss ziemlich brutal sein.
    »Na ja, rutsch ran«, murmelte ich, als sie längst da war. »Danke«, flüsterte sie.
    Natürlich blieb es nicht beim Ranrutschen, natürlich ging es irgendwie weiter, natürlich waren wir schläfrig und zugleich hellwach.
    »Du bist eine wirklich gute Therapie«, flüsterte sie. Ich konnte nichts mehr antworten, weil es ohnehin viel zu spät war. So hielt ich sie einfach fest, und ich erinnere mich, dass ich sie großartig fand.
    Ich wachte auf, weil mich ein nicht enden wollendes fernes Gebrabbel störte. Vermutlich hatten sich sämtliche bedeutsamen Mordspezialisten in meiner Küche versammelt und erledigten meinen Bauernschinken.
    Clara Gütt schlief tief und fest. Krümel hockte auf der Fensterbank und starrte beleidigt hinaus in den Garten. »Was willst du eigentlich?« Ich ging sofort in die Verteidigung. »Ich hab’ doch kaum etwas mit ihr gehabt.« Sie gönnte mir nicht einmal einen Blick.
    Ich stapfte ins Badezimmer, stellte mich unter die Dusche und spülte Schmutz von achtundvierzig durchwachten Stunden ab. Anni fragte lautstark durch die Tür, ob ich etwas essen und trinken wolle, und ihre Stimme hatte einen höchst zufriedenen Klang.
    »Wer ist denn da unten in der Küche?«
    »Die Herren vom Bundeskriminalamt«, sagte sie. »Es sind sehr nette Herren.«
    Ich rasierte mich und stapfte dann in meine Küche, in der eine ähnliche Luft herrschte wie in unserer Dorfkneipe, wenn wir drei Stunden geknobelt haben.
    »Guten Tag«, sagte ich und erwischte einen Blick auf das vor Aufregung hochrote Gesicht meiner Tante Anni, die gerade zu dem Bundeskriminalisten Müller sagte: »Also Herr Kollege, mein Kompliment zu Ihren Überlegungen.«
    »Von welcher Dienststelle sind Sie denn?«, fragte mich ein freundlicher Dicker, der Roger-Rabbits Vorderzähne hatte.
    »Ich bin hier der Hausmeister«, sagte ich. »Ich fege hinterher die Bude, wenn Sie fort sind.«
    Tante Anni sah mich an und kam herangerauscht. Das war einigermaßen schwierig, weil in der Küche, im Durchgang und in der Stube rund ein Dutzend Männer in allen möglichen Positionen herumsaßen und -standen.
    »Ich habe Rosenkohl mit Kartoffeln und Hackbraten«, sagte sie. »Der Herr Müller will dich sprechen.« Sie schaufelte mir von dem Essen etwas auf einen Teller. »Geh in dein Arbeitszimmer. Da habe ich nämlich abgeschlossen, sonst ginge es hier ja zu wie in einer Kneipe.« Ich steuerte also mit dem Teller hinüber in mein Refugium, setzte mich an den Schreibtisch und aß. Nach ein paar Minuten kam Anni, Müller im Schlepptau, schloss hinter sich ab und stellte fest. »Jetzt sind wir ungestört.«
    »Wunderbar, Frau Kollegin«, sagte Müller strahlend. Er sah mich an. »Was da geschehen ist, war schlimm, aber ich glaube nicht, dass das vorauszusehen war. Ich habe Ihren Wagen zu erkennungsdienstlichen Zwecken in eines unserer Labors bringen lassen. Wissen Sie, dass der Kerl ungefähr sechzig Schüsse auf Sie abgegeben hat?«
    »Nein, ich habe nicht gezählt.«
    Er grinste. »Ihr Auto ist ein Schrottplatz. Es war wirklich eine Maschinenpistole, übrigens eine israelische. Fragen Sie mich nicht, aus welcher Quelle die kommt. Ich möchte Sie bitten, mir diese Fahrt genau zu schildern.«
    Der Hackbraten war Anni hervorragend geraten, und als ich mir nach dem Mahl die Pfeife anzündete, schloss ich auch meinen Bericht: »Ich würde sagen, der Mann,

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