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Der letzte Agent

Der letzte Agent

Titel: Der letzte Agent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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»Konzentrier dich jetzt bitte. Ich weiß: Eigentlich weißt du nichts, aber stell dir genau diesen Günther Schulze vor. Er ist sechsundzwanzig Jahre alt, ziemlich frisch verheiratet. Sie haben ein Baby. Und aus irgendeinem Grund verschwindet er, als wäre er vom Erdboden verschluckt. Was war er eigentlich für ein Typ?«
    »Der typische Fachmann. Total vergraben in sein Denken, in die Möglichkeiten, die er so hatte. Er konnte zum Beispiel aus Papier die seltsamsten Figuren falten. Vögel, alle möglichen Tiere, Blumen und so weiter. Und er brachte es fertig, mit einem Küchensieb und drei Grundfarben geradezu irre Siebdrucke zu machen, einfach so. Ein Wahnsinnstyp, aber leise, verstehst du? Ich habe manchmal gedacht, er schläft. Ich bin in sein Büro gegangen. Da hockte er und dachte darüber nach, wie man ein Stück Pappe falten kann und trotzdem noch einen langen Schriftzug darauf unterbringt. Manchmal hockte er auch vor einem Schachbrett und dachte stundenlang über irgendeinen Zug nach. Er sagte: ›Ich finde das grandios, was dem menschlichen Hirn so einfällt.‹« Sie kicherte. »Irgendwie war er ein komischer Heiliger. Total naiv. Einmal hat er einen Kredit aufnehmen wollen bei irgendeinem Finanzmenschen, bei dem das Geld um glatte vier Prozent teurer war als nebenan bei der Volksbank. Und als wir ihn dann darauf aufmerksam machten, war er ganz verwirrt und sagte: ›Ja und? Der Mann ist doch so nett!‹«
    »Er spielte Schach? Und scheinbar gut, oder?«
    »O ja, er war irgendein Meister an der Uni. Und in Düsseldorf spielte er in irgendeinem Club.«
    »Von seiner Frau hast du gesagt, sie sei eine Öko-Tussi. Hatte das Folgen für ihn?«
    »Na ja, er hat mal gesagt, er sei erst durch sie darauf aufmerksam gemacht worden, wie schnell der Mensch die Erde zerstört. Und dann Moment mal – er hat sogar aufgehört, irgendwelche großartigen Reisen zu unternehmen. Früher war er auf den Philippinen, auf Samoa und in China. Dann machte er plötzlich Zelttrips mit seiner Frau. Sie fuhren Rad und zelteten. Die Donau entlang zum Beispiel. Ich weiß noch, wie wir gelacht haben, wenn er erzählte, dass er in einer Nacht im Zelt sechsundsiebzig Mückenstiche auf seinem Bauch gezählt hat.«
    »Also Schachspiel und Zelten.«
    Sie meinte: »Warte mal. Da war noch ein irrer Trip der beiden in Finnland. Da hat Günther sich ein Kanu andrehen lassen, das zwei Löcher hatte. Und dann hat er die Löcher mit Hansaplast zugeklebt. Weil das nicht dichthielt, hat er nach seiner Rückkehr der Firma geschrieben, sie sollten gefälligst ihre Erzeugnisse verbessern. Wir haben einen Tag lang gelacht.«
    »War er ein liebenswerter Narr?«
    Sie wurde plötzlich sehr ernst. »Ja, das ist es wohl, das war er. Und weil er so schrecklich naiv ist, denke ich, dass jemand sich an ihn ranmachen kann, um ihn umzubringen. Günther wird sagen: ›Nett, Sie kennen zu lernen.‹« Sie versuchte erfolglos, eine Träne zurückzudrängen.
    »Was trieb er eigentlich am Wochenende? Weißt du etwas darüber?«
    »Nicht viel. Sie hatten zwei Enten, er eine, sie eine. Und sie schaukelten damit in der Gegend herum. Wenn gutes Wetter war, zelteten sie irgendwo an der Mosel oder so. Ich erinnere mich an die Mosel. Oder war das die Sieg? Na ja, was die grün Angehauchten eben so treiben.«
    »Wie schätzt du seine Frau ein? Hätte sie sich an irgendjemanden gewandt, wenn sie eine Ahnung von der Gefahr für ihren Mann gehabt hätte?«
    »Ja. Ich wette, sie hätte Vera Grenzow angerufen oder Sahmer oder mich. Sie hätte sich gemeldet. Aber sie hat sich nicht gemeldet.«
    »Moment mal«, sagte ich, »das wissen wir doch gar nicht. Du bist in Ferien, Sahmer ist tot, Schulze verschwunden – es war niemand da außer der Grenzow.«
    »Doch, da ist noch jemand. Wenn von uns keiner da ist, dann ist immer noch Harry Lippelt da. Er kann auch die Telefonzentrale bedienen.«
    »Weißt du, wo er wohnt?«
    »Ich weiß alles über die Firma«, sagte sie schnell, biss sich dann auf die Lippe und murmelte: »Jedenfalls habe ich mir das immer eingebildet.«
    »Also, noch einmal zu Günther Schulze. Er spielt Schach, er zeltet, er fährt eine Ente. Aber er verdient doch verdammt gut, was macht er mit dem Geld?«
    Sie überlegte eine Weile. »Das weiß ich nicht genau. Ich erinnere mich daran, dass er kurz nach seiner Hochzeit einmal sagte, er könne mit Geld überhaupt nicht umgehen und er wolle seine Frau zum Finanzminister machen.«
    »Du hast erzählt, dass ihr in der

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