Der Letzte Askanier
Leute, die den früheren Markgrafen Waldemar gekannt hatten, und erkundete von ihnen, ob der gegenwärtige Waldemar derselbe sei wie der frühere. »Hans Lüddecke haben sie vorhin schon einvernommen.«
»Nun denn.« Rehbock glaubte nicht, daß die Gefahr groß war, aber man wußte ja nie, ob wieder so einer auftauchte wie der Müller aus Niemegk, der ihn fast entlarvt hätte. »Was gibt es noch?«
»Wir haben lange verhandelt mit Karl: Einen Preis wirst du zahlen müssen für deine Anerkennung.«
»Welchen?«
»Die Lausitz.«
»Nun ja …«
»Der hohen Kriegskosten wegen. Er sagt, die Ausrüstung seines Heeres und der Zug in die Mark hätten viel gekostet.«
»Obwohl nicht unerwartet: Es ist schmerzlich für mich.«
Nienkerken seufzte. »Auch mit einem Arm kann man noch köstlich essen und trinken und das Leben genießen.«
Da wurde an die Tür geklopft, und Hans von Lüddecke wollte den jungen Grafen Waldemar von Anhalt, den man von Ludwig freigekauft hatte, ins Zimmer bringen.
»Moment!« Nienkerken drängte die beiden auf den Flur zurück. »Der Markgraf ist gerade bei einer Verrichtung.«
Rehbock schüttelte den Kopf. »Wozu das!?«
Nienkerken beugte sich näher und flüsterte: »Ehe er mit dir spricht, will ich dir erzählen, was ich vorhin gehört habe. Ich habe ihn und Albrecht von Dessau belauscht.«
»Und?«
»Der Alte glaubt an dich, der Junge aber ist überzeugt, daß du ein Betrüger bist.«
»Was nun?«
»Warten wir's ab.«
Als der junge Anhaltiner dann vorgelassen wurde, begrüßte Rehbock ihn mit Kühle. »Was führt dich her? Mir für das Lösegeld zu danken?«
Der Neffe machte eine wegwerfende Geste. »Das war doch nur ein Handgeld dafür, daß ich nicht vors Fürstengericht trete und die Wahrheit verkünde.«
»Jede gute Tat rächt sich einmal«, lachte Henning von Nienkerken.
»Ich will den deutschen Fürsten die Schamesröte nicht ersparen!« rief der junge Waldemar. »Die innigste Lust erfüllt mich, in dieses Wespennest zu stechen. Und wenn ich dabei untergehe. Scham und Schande über dies Gericht und diesen Kuhhandel um Brandenburg!«
Ein stolzer junger Gott, so stand er da, festlich gekleidet in Seide, mit Stickereien am Wams. Ein fürstlicher Mantel wallte ihm um die Schultern, und seine Hand ruhte auf dem zierlichen Degengriff.
Nienkerken blieb davon unbeeindruckt. Ganz dicht trat er an den jungen Grafen heran und sah ihm fest, wenn nicht gar ein wenig abschätzig, in die idealistisch blauen Augen. »Die volle Wahrheit kennt kein Mensch, vielleicht nicht einmal Gott, du aber ganz sicher nicht. Begreife doch: Wer immer dieser Pilger aus Jerusalem auch ist, er meint es gut mit dir, denn deinem Haus gehört dieses Land, nicht den Bayern und nicht Karl. Und er meint es gut mit dir, obwohl du's ihm nicht dankst. Er ist alt – und du wirst sein Erbe durch Testament und Wort.«
»Den Fürstenhut mag ich nicht, der in einem Schmutzgraben lag!« empörte sich der junge Waldemar. »Es gibt ein höheres Prinzip für mich, und Betrug ist kein geeignetes Mittel, zum Ziel zu kommen.«
»Hochfahrender Träumer!« rief Nienkerken. »Wer seinem Gönner Undank zeigt, der ist verflucht in alle Ewigkeit!«
Dieser wohlkalkulierte Ausbruch verfehlte seine Wirkung nicht, denn Waldemar von Anhalt lenkte nun ein.
»So will ich denn öffentlich schweigen, obwohl ich euch verdamme und verachte!« Damit stürzte er auf den Flur hinaus und warf die Tür hinter sich zu.
Nienkerken ließ sich in den Sessel fallen und goß sich Wein ein, bis der Pokal überlief. »Das war das letzte Hindernis, nun kann uns nichts mehr aufhalten. Prosit, mein Fürst!«
Die Stunde der Entscheidung war gekommen. Draußen bliesen die Trompeter, aber nicht zur Schlacht, sondern langsam und getragen. Die Herolde schritten mit weißen Stäben durch das Lager und verkündeten, daß sich der durchlauchtige Markgraf Waldemar dem Gericht des Königs stelle. Der Zug, der sich gebildet hatte, war lang und feierlich. Hans von Lüddecke führte die Geharnischten an. Viele märkische Ritter in stählerner Rüstung und geschmückten Wämsern schritten paarweise nebeneinander her, ebenso Ratsherren der Städte und deren Bürgermeister. Auch an Geistlichen fehlte es nicht.
Rehbock ging nicht im Silberharnisch und auch nicht im Hermelin, sondern im schlichten schwarzsamtenen Rock ohne jede Stickerei. Nur das Schwert hing an einer silbernen Kette vom Gurt. Den Kurfürstenhut und den Mantel trugen ihm zwei Edelknappen auf Kissen
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