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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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Zahl. So ging es weiter nach Norden, in Erfurt hatte er es selber miterleben müssen. Warum sollte es in Berlin anders sein?
    Und in der Tat: Als er nach strenger Kontrolle endlich durchs Teltower Tor einreiten konnte, hörte er schon, wie es bei St. Nikolai rumorte. Wenig später stiegen da, wo nahe beieinander die Brüderstraße, der Jüdenhof, das Franziskanerkloster und der nördliche Spreearm zu finden waren, dichte schwarze Rauchwolken auf. Da das Schlimmste zu befürchten war, sprengte er ohne Rücksicht auf das, was ihm im Wege stand, durch die Gassen.
    Doch er kam zu spät. Als er es endlich erreicht hatte, stand Leahs Elternhaus schon lichterloh in Flammen. Baruchs Leiche fand er in der Gosse davor.
    Er sprang vom Pferd, um nach Leah zu suchen. Was war mit ihr geschehen, war sie im Haus verbrannt oder im Hof erschlagen worden? Er lief um das Haus herum. Niemand störte ihn, die Mordbrenner waren weitergezogen, sich neue Opfer zu suchen. Er wußte, daß er sie daran nicht hindern konnte. Wenn er Leahs Leichnam finden sollte, das war ihm klar, dann würde er unter die Mörder fahren und sie so lange mit seinem Schwert zerhacken, bis sie ihn selber erschlugen. Dann gab es nur den eigenen Tod.
    »Leah …!?« Immer wieder schrie er es ins Haus hinein. Als keine Antwort kam, wagte er alles und warf sich in die Flammen. Doch da im selben Augenblick drinnen etwas explodierte, wahrscheinlich ein Kessel mit Fett, fegte ihn der Feuersturm wieder ins Freie. Er wälzte sich, um die Flammen zu ersticken, die an seiner Kleidung züngelten, in einer Wasserlache und kam wieder halbwegs zur Besinnung. Unmöglich, daß es im Haus noch Leben gab, da war alles lange verkohlt und erstickt. Entweder Leah war tot, oder aber – er dachte es voller verzweifelter Hoffnung – sie hatte fliehen können und hielt sich nun irgendwo versteckt. Aber wo?
    Nachdem er Baruch schnell mit seinem Wams zugedeckt hatte, lief er die Brüderstraße hinunter Richtung Marienkirche. Die meisten Häuser standen offen. Entweder die Leute waren losgelaufen, die Juden zu erschlagen, oder aber sie waren auf der Flucht vor der Pest.
    »Leah …!? Ich bin's: Meinhard, komm heraus!«
    Er rief es immer wieder, ohne Antwort zu bekommen. Nur ein Berliner höhnte, sie würden sie schon selber erschlagen, die Judenweiber.
    Am Heiliggeistspital traf er auf Betkin von Ost, der außer sich war. »Welche Katastrophe für Ludwig! Wer soll uns finanzieren, wenn sie die Juden umbringen? Ich hab' es nicht verhindern können!«
    »Ich suche Leah, Baruchs Tochter.«
    »Die hab ich in der Knochenhauergasse laufen sehen.«
    »Danke!«
    Meinhard hastete weiter. Das schien ihm klug zu sein, sich dort zu verstecken, wo die Leute keinen Juden suchen würden: bei Fleischern, die nicht koscher schlachteten, die sie also gar nicht kennen konnten.
    So kam es, daß Meinhard von Attenweiler auch ins Zimmer von Balzer Brodowin stürzte, außer Atem, das Gesicht gerötet. »Ist Leah hier?«
    »Sieh mich an und weiche von mir!« Balzer Brodowin riß sich die Decke vom Leib. »Die Pest!«
    Meinhard erschauderte und blieb wie angewurzelt stehen. »Ist Leah hier?« wiederholte er.
    »Welche Leah …?« Der Knochenhauer fiel erneut ins Fieberdelirium.
    Meinhard stürzte in Panik aus dem Zimmer und durcheilte die Räume. Nichts. Auch in der Vorratskammer steckte sie nicht. Trotzdem spürte er die innere Gewißheit, daß sie hier in der Nähe sein mußte. Blieb der Boden. Er lief die schmale Treppe hinauf. »Leah, ich bin's, keine Angst!«
    Da hockte sie, im Taubenschlag.
    Er nahm sie in die Arme.
    Warnitz lag in der Neumark, also jenseits der Oder, unweit einer kleinen Stadt mit Namen Neu-Berlin, und Ritter Helmwig von Bucs war dort Herr. Dem hatte am 1. Januar 1349 Markgraf Ludwig das Dorf mit 10 ½ Stücken und allen Einkünften beliehen, wofür er im Namen des Markgrafen dessen Schuldiger, dem Ritter Hasso von Wedel dem Älteren, 57 ½ Mark Brandenburgischen Silbers hatte zahlen müssen.
    Des weiteren hatte Ludwig dem Helmwig und seinen Erben für den Schaden, den der an Pferden im Dienste des Markgrafen während des letzten Krieges gegen den Herzog von Braunschweig erlitten hatte, zwölf Hufen und zwei Krüge mit den dazugehörigen Kossäten übertragen, sich aber die Gerichtsbarkeit über die Güter der in Warnitz wohnenden Vasallen vorbehalten.
    Dies alles hatte Meinhard von Attenweiler an der Seite Ludwigs in Neu-Berlin mitverfolgt und sich dabei mit dem Helmwig von Bucs so gut

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