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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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der Menge rannte, um Juden zu erschlagen, dachte er mit Verzweiflung daran, wie es ihm wohl gelingen konnte, Leah in Berlin zu retten.
    In der Mark Brandenburg hatte sich die Pest bislang nur mäßig gezeigt, und der Knochenhauer und Fleischer Balzer Brodowin in Berlin war wenig in Sorge, zumal er seinen Ziehbrunnen fest verschlossen hatte, der drohenden Vergiftung durch die Juden wegen. Man wollte es zuerst in Savoyen herausgefunden haben, und von da war es weit nach Norden gedrungen, daß die Juden die Brunnen vergiftet hätten und daher schuld an dieser Krankheit seien. Balzer Brodowin fand es sehr richtig, was die Baseler daraufhin mit den Juden gemacht hatten: sie in ein extra gebautes Holzhaus zu sperren und alle zu verbrennen bei lebendigem Leibe. Auch an den Stadttoren wurde streng darauf geachtet, daß niemand etwas einschleppen konnte. Wer etwas bei sich trug, was wie Arznei aussah, mußte erst davon schlucken, bevor er eingelassen wurde, und der Himmel mochte ihm beistehen, wenn ihm übel wurde.
    Balzer Brodowin war dabei, ein am frühen Morgen geschlachtetes Schwein kunstvoll zu zerlegen. Gerade war er in sein neues Haus gezogen. Das alte hatte der Großbrand vom vorigen Jahr völlig vernichtet, und er machte wieder gute Geschäfte. Wenn nun aber die Pest kam und die Menschen wie die Fliegen starben, wer würde dann noch bei ihm kaufen? Klar, daß auch hier die Juden die Hand im Spiel hatten. Vor sechs Jahren war es ihm beinahe gelungen, sich die Konkurrenz vom Hals zu schaffen, denn der Rat hatte den Juden in einer Urkunde den Verkauf schlechten Fleisches angelastet: Den Juden ist zwar vom Rat verstattet worden, Vieh zu schlachten und zu verkaufen. Sie haben sich dieser Erlaubnis indes betrügerisch zum Nachteil des Knochenhauerhandwerks, ja der ganzen Stadt bedient. Sie haben nicht allein allzu junges, allzu altes oder allzu mageres Vieh verkauft: nein, sie haben sogar krankes oder übelriechendes Fleisch zu Markte gebracht; sie haben ferner das schlechte Fleisch in kleinen Teilen ausgehökert und nicht, wie ihnen befohlen, in ganzen Vierteln verkauft. Das alles soll nun ein Ende haben; sonst folgt die härteste Strafe.
    Als Balzer Brodowin sein scharfes Fleischerbeil in die Schweineschulter sausen ließ, wurde ihm plötzlich schwarz vor Augen, und er sank zu Boden. Sein Geselle begriff nicht gleich, was da geschehen war, denn der Meister war trotz seines Alters ein kraftvoller Mann. Dann schrie er um Hilfe, und Meisterin wie Mägde kamen aus der Küche gelaufen.
    »Hat er wieder zuviel Wein getrunken!« zeterte die Frau und machte sich daran, ihn mit Hilfe der anderen ins Bett zu schleppen.
    Balzer Brodowin kam wieder zu sich und fror so sehr, daß er am ganzen Körper zitterte. Und er fühlte, wie das Fieber stieg. Wenn er die Augen schloß, verfiel er sofort ins Dämmern und sah einen Sensenmann aus einer schwarzen Wolke niederschweben. Er schrie so laut in seiner Todesangst, daß das ganze Haus in Schrecken geriet. Jetzt merkten sie, daß der saure Rotwein kaum die Ursache sein konnte, und schickten nach dem Bader um die Ecke.
    Der kam und begrüßte Balzer Brodowin so laut und dröhnend, wie es Trinkkumpane eben taten. »Na, du altes Weinfaß, ist dir das Blut beim Anblick der Mägde mal wieder zu Kopf gestiegen? Wollen wir dich doch mal zur Ader lassen!«
    Balzer Brodowin konnte nur noch flüstern. »Mir ist so schwach … Mein Kopf, er dröhnt so wie … Mein Kopf ist eine Trommel, und sie schlagen dauernd drauf.«
    Als der Bader ihm das Hemd auszog, schrie er auf, denn viele dunkle Flecken waren zu sehen und kleine Eiterbeulen unter den Achseln.
    Mit einem Satz war der Bader zur Tür hinaus. »Rettet euch, das ist der Schwarze Tod! Die Pest, die Pest!« Alles stob davon. Balzer Brodowin blieb allein zurück und erbrach sich neben sein Bett.
    Meinhard von Attenweiler hatte auf dem langen Wege von Erfurt nach Berlin schon zwei Pferde zuschanden geritten, aber er wußte, daß es kaum möglich war, schneller zu sein als der Schwarze Tod. Und war der vor ihm in Berlin, dann wehe den Juden, denn nur allzu gut stand ihm noch vor Augen, was er beim Besuch der Gräfin Matilde im Brandenburger Dom gesehen hatte: die Judensau, ein Mischwesen aus einem Juden und einem Schwein, das für die Unmäßigen und Unkeuschen stand, für die Unreinen und die Sünder. Im November 1348 hatte man die Juden in Solothurn verbrannt, im Januar 1349 in Basel und Freiburg und im Februar in Straßburg, zweitausend an der

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