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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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dies aber lieber ein wenig abseits tun wollen. »Veitheim, was ist los?« fragte er den Hauptmann der Wache.
    Burchard von Veitheim war über diesen Besuch wenig erfreut. »Der Bettler da mit dem langen weißen Bart, der will ein Pilger aus Jerusalem sein. Aber schüttle diesen Bart – und das Mehl wird herausstauben aus ihm.«
    »Nun, sehen wir mal …« Der Oberkämmerer wollte sich den kleinen Spaß gern gönnen und ging zum Tor, um Jakob Rehbock am Barte zu reißen. »Siehst du: der ist echt. Und wenn der echt ist, ist er auch ein echter Pilger. Ist es so?«
    »Ja, so ist es.« Rehbock nickte artig.
    »Dann kommt mit, der Erzbischof wird voller Freude sein, Euch zu sehen.«
    Die Menge jauchzte, als die beiden ungleichen Gestalten im Inneren des Palastes verschwanden.
    Rehbock kam sich vor wie ein einfacher griechischer Hirte, den Hermes zu den Göttern führte. Bruder Marquardus hatte ihm viel von Zeus, Aphrodite und Hera erzählt. Was blieb ihm anderes, als voller Inbrunst zu beten. Weise mir, Herr, deinen Weg, daß ich wandle in deiner Wahrheit.
    »Wartet hier«, befahl ihm der Oberkämmerer, als sie in der Halle vor dem Festsaal angekommen waren.
    »Ja, sehr wohl.«
    Voller Demut fügte sich Rehbock dem Hofbeamten. Viel Volks stand hier herum, Neugierige aus der Stadt wie auch einiges Gesinde, dazu Bettler und Arme, die auf Reste vom Festmahl hofften. Obwohl sie vom Stande her niedriger waren als er, denn Müller war ja etwas und Pilger aus Jerusalem wohl auch, musterten sie ihn mit Geringschätzung. Da war einer, der war noch älter als sie, ging noch gebeugter, neigte sich noch tiefer vor den hohen Herren als sie. Als Rehbock das merkte, begriff er, welchen Fehler er da machte: Niemals durfte er so klein und nichtig hintreten vor den Erzbischof, wenn er von dem für voll genommen werden wollte, nein: Selbstbewußt und stark mußte er auftreten, vom Scheitel bis zur Sohle ein Fürst, der gekommen war, seine Rechte einzufordern. Wie Henning von Nienkerken ihm das immer wieder eingetrichtert hatte: »Nicht als Bittsteller darfst du vor Otto treten, sondern als Waldemar, der letzte der Askanier, der den Pfaffen, wenn er nur wollte, zerquetschen könnte wie eine Fliege.«
    Er sah den Erzbischof nicht, hörte ihn aber, denn Otto sprach mit Absicht so laut, um allen zu zeigen, wie milde er war. »Ein falscher Pilger, sagst du … Nun, da sei Gott vor, daß wir einen alten Mann von unserer Schwelle weisen ohne einen Labetrank. Besser einmal betrogen werden, als sich der Hartherzigkeit zeihen lassen. Hier, Martin, reich dem Mann den vollen Becher und sag ihm, der Bischof trank daraus. Und er soll ihn leeren bis auf den Grund – auf Bischof Ottos Wohl.« Was folgte, klang wie eine Predigt: »Wer heut noch aus dem vollen schöpft, kann nicht wissen, ob er nicht morgen schon leere Schüsseln auslecken muß. Nichts ist wandelbarer als unser Leben, denn wie der Herr Tausende niederwirft, so erhebt er einen aus zehn. Und der, dem wir heute die Brosamen vor die Füße werfen, kann morgen schon ein König sein.«
    Rehbock erschrak, als er dies vernahm. War der Erzbischof ein Prophet und ahnte Kommendes – oder hatte ihm schon einer zugetragen, daß Waldemar als alter Pilger in Magdeburg eingeritten war? Das Blut rauschte ihm in den Ohren, seine Knie wurden weich, und er suchte Halt an einem Pfeiler.
    Da trat auch schon der Kämmerer mit dem vollen Becher auf ihn zu. »Frommer Pilgersmann, dies sendet dir mein hochwürdiger Herr, der Erzbischof Otto. Der hat selbst daraus getrunken, und nun sollst du ihn leeren bis auf den letzten Tropfen und dabei des edlen Gebers gedenken.«
    Wie in Trance nahm Rehbock den Becher. Jetzt galt es. Und fast verließ ihn wieder der Mut. Gebeugt stand er da. Wären doch bloß Henning von Nienkerken und Elisabeth an seiner Seite gewesen! Er schloß die Augen und dachte nur noch eines: Ich bin Markgraf Waldemar. Ich bin Markgraf Waldemar. Ich bin Markgraf Waldemar.
    »Nun, willst du nicht trinken?« Wie eine Drohung schien ihm das zu klingen: Trink – oder ich werfe dich ins Verlies.
    Da hob er den Pokal mit beiden Händen hoch über den Kopf, richtete sich auf, daß er dastand wie ein Sieger. Als seine kräftig-sonore Stimme erklang, schrak alles zusammen. »Ich trinke diesen Wein und leere diesen Becher auf das Wohl des Erzbischofs, des Schirmherrn dieser reichen und so guten Stadt, auf daß der Allmächtige bei ihm sei und bei allem, was er unternimmt.«
    Voller Staunen über sich

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