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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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genommen, du Ärmster, doch leider geht es ja nicht. Was hieß, daß ihre Männer seinen Tod beschlossen hatten.
    Die Idee, in einem Nest wie Gransee gehängt zu werden, war so absurd, daß sie ihm den Schlaf nicht hatte rauben können, nun aber regte sich in ihm doch kreatürliche Angst. Im Kampf Mann gegen Mann hatte er sich oft genug behauptet, und auch die heimtückischsten Hofintrigen hatte er bis jetzt überlebt, doch in einer Situation wie dieser wußte er nicht weiter. Natürlich hätte er rufen können: Hört, ihr Herren, ich bin der adlige Jugendfreund und Günstling eures Markgrafen Ludwig und stehe unter seinem ganz besonderen Schutz! Doch das hätte höchstens Heiterkeit erregt. Nicht einmal, daß er Kaufmann sei, allemal gut für ein fettes Lösegeld, hatten sie ihm geglaubt. Blieb ihm nur zu beten und zu hoffen.
    Jetzt kam Bewegung in die Menge, und eine Gasse wurde gebildet.
    »Achtung!« schrie ein Hellebardenträger. »Sie bringen den Hans Lüddecke.«
    Dieser tumbe Klotz mit dem rotbärtigen Waldschratgesicht war also der Mann, der Gransee seit Jahren in Angst und Schrecken versetzte. Meinhard sah es mit Erstaunen. Als Mythos war er viel eindrucksvoller denn als Mensch. Und neben dem sollte er nun hängen, als Mittäter sozusagen. Er sah seine Mutter unten in Attenweiler sitzen und wie Hekabe ihr Klagelied singen: Weh dir, ruchlos Geschlachteter, weh dir, mein Kind. Und weh noch einmal, daß dein Tod so schändlich war.
    Jetzt trat der Bürgermeister vor, um zu erklären, was der Rat in seiner Weisheit beschlossen habe. »Obgleich ihr es beide verwirkt habt, schenkt die Stadt aus ihrer Gnade einem von euch beiden das Leben, sofern der eine an dem anderen im Namen der Stadt das Henkeramt vollstreckt. Das soll dergestalt geschehen, daß ihr beide ohne Rüstung und Waffen im Wartturm hier eingesperrt werdet. Wem es gelingt, den anderen von der Zinne der Warte in die Tiefe zu stoßen, der soll frei sein, so als habe Gott für ihn entschieden. Er wird in Gnade von der Stadt entlassen. Aber der andere, der sei der Gerichtete, vor der Stadt und vor Gott, und sofern er nicht durch den Sturz umgekommen, waltet der Scharfrichter seines Amtes.«
    Einen Augenblick war es still, dann jauchzten die Granseer, denen ein solches Schauspiel selten zuteil geworden war. Nur die Älteren erinnerten sich an die Sache mit dem ungetreuen Kämmerer, dem man Gnade schenken wollte, wenn er es schaffte, außen am Rathausturm hinabzuklettern, und der dann lange Minuten schreiend wie ein Tier mit baumelnden Beinen am Gesims oben hing, wo sonst nur die Dohlen lebten und selbst den Dachdecker der Schwindel packte.
    Die beiden Männer taxierten sich. Meinhard merkte, daß er von Hans Lüddecke nicht für voll genommen wurde, war er doch, was Gewicht und Körpergröße betraf, gegen diesen Koloß fast ein Kind.
    »Das ist ungerecht!« schrien dann auch einige Frauen, die ihn, den Fremden, ganz offenbar mochten. »Bindet dem Hans Lüddecke einen Arm auf den Rücken oder hackt ihm einen ab, er ist doch der Wolf und der andere das Lamm.«
    Hans Lüddecke fand, daß das alles ihn fürchterlich entehren würde. »Ist das wirklich euer Ernst?«
    »Es ist ein gutes Urteil, das wir über dich gefällt haben.«
    »Ein Schandurteil ist es!« schrie Hans Lüddecke. »Weil der Rat kein Recht hat, es über mich zu fällen, das kann nur mein Fürst.«
    Der Bürgermeister wischte das hinweg. »Hans Lüddecke, du bist verfemt von Kaiser und Reich. Mit Recht haben wir dich gerichtet. Aber aus Gnade schenken wir dir statt des Strickes ein gutes Gottesgericht.«
    »Ich scheiß' auf eure Gnade!« schrie Hans Lüddecke.
    »Du kannst um dein Leben kämpfen«, sagte der Bürgermeister.
    »Stellt mir einen Ebenbürtigen!«
    Fast hätte Meinhard gerufen, daß er das wohl sei, daß sein Geschlecht um vieles älter und geachteter sei als das des Lüddecke, aber ein ungewisser Instinkt hielt ihn davon ab. Vielleicht, weil es ihm doch keiner geglaubt hätte, doch möglicherweise auch, um den Auftrag, mit dem er in die Mark gekommen war, nicht zu gefährden.
    Als die Stadtmusiker die Trommeln schlugen und man daranging, Hans Lüddecke den rechten Arm auf den Rücken zu binden, begann der zu toben. »Lumpen seid ihr alle, daß ihr ohne Fug und Recht einen Edelmann richtet. Es breche über euch zusammen zehntausendmal das Unwetter der Rache, über euch, euren Weibern, Kindern und Kindeskindern, über eurer ganzen Stadt. Verflucht seid ihr alle!«
    Die Trommeln

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