Der Letzte Askanier
hatte er ihm auch gesagt, daß er der Jakob Rehbock aus Bärwalde sei … Er konnte sich nicht mehr genau erinnern. Wenn dem aber so war, dann … Ja, sicher, er hatte ihm seinen Namen genannt. Oder? Es war schon Ewigkeiten her.
Um ihn herum erhob sich neues Geschrei. Es sei unerhört, riefen die Ritter aus dem Magdeburgischen, daß Schneider und Schuster sich erfrechten, den Blutbann über einen Ritter zu üben.
»Was für ein Frevel: einen Edelmann Hungers sterben zu lassen wie einen Leibeigenen!«
Das sei ein Schimpf, der himmelschreiende Rache fordere an den Granseern, und kein Gericht.
Und der dicke Erxleben flüsterte dem Lüddecke ins Ohr: »Füg dich nicht, Hans, des soll er sich nicht unterstehen.«
»Ich mich fügen!« schrie Hans Lüddecke. »Barbier du die Katz, wenn du sie im Sack hast. Ich bin eines freien Mannes Sohn – du aber nicht, Waldemar, denn du bist ein Betrüger! Ich hab' mitgeholfen, die Leiche über die Oder zu schaffen, und ich war in Chorin dabei, wie sie den Waldemar einbalsamiert und hergerichtet haben. Ich hab' das mit meinen eigenen Augen gesehen. Neben Andreas Grote hab' ich gestanden. Damals war er noch ein guter Untertan.« Damit spuckte er vor Rehbock aus. »Wer immer du bist, der alte Markgraf bist du nicht!«
Nun war der Teufel los. Die einen wollten Hans Lüddecke an die Gurgel, die anderen rissen sie zurück.
»Schluß!« schrie Kurt von Alvensleben. »Um diesen Trunkenbold schlagen wir uns noch die Köpfe ein!«
Doch damit goß er nur noch Öl ins Feuer, und einige gingen wirklich mit den Fäusten aufeinander los. Die Frauen schrien wie in Panik. Die Herolde hoben umsonst die Stäbe. Keiner wollte Ruhe geben.
Henning von Nienkerken nutzte das Getümmel, um kurz an die Seite Rehbocks zu treten und ihm etwas zuzuflüstern, was hochwichtig war. »Ich hab's vorhin von den Leuten gehört: den Hans Lüddecke, den mußt du kennen, der hat dir in der Schlacht hier bei Gransee deine Narbe beigebracht. Der kommt zwar aus der Prignitz, hat aber mit dem Dänenkönig gegen dich gekämpft. Du hast ihn begnadigen lassen.«
»Danke …«, nickte Rehbock, aber anderes schien ihm wichtiger. »Schaff mir den zweiten aus dem Turm beiseite. Der kommt von Ludwig, ich fühle es, um mich zu erstechen oder sonst irgendwie zu meucheln. Los, geh!«
Henning von Nienkerken eilte davon, und Rehbock sah es mit Erleichterung, wie er diesen Meinhard Attenweiler zu den Pferden führte und ihm ein Reservepferd gab, auf dem er sich auch eiligst entfernte. Es schien nicht so, daß er ihn erkannt hatte. Oder doch?
Kurt von Alvensleben riß ihn in die Wirklichkeit zurück. »Laßt ab vom Gericht, das Ärgernis wird uns zu groß.«
Doch Rehbock fühlte sich wieder bei Kräften und wies den Kanzler Ottos zurück. »Er wird mir Rede stehen, mein fürstlich Wort darauf.«
Der Erxleben hatte indes seinen Arm um den Raubritter gelegt und grinste ihm zu: »Antworte ihm nur, wie dir der Schnabel gewachsen ist. Der tut dir nichts.«
Nichts hätte Rehbock mehr bewegen können, hier standzuhalten, als dieses. »Hans Lüddecke aus der Prignitz«, begann er mit mühsam beherrschtem Zorn. »Du willst also deinen Herrn verleugnen!?« Und mit aufschießender Freude merkte er, daß er wieder überzeugend wirkte, vielleicht sogar besser war, als es der echte Waldemar gewesen wäre.
Hans Lüddecke lachte. »Den möcht' ich sehen, der mich zwingen könnte, ihm nach dem Munde zu reden!«
Rehbock dachte an Jerusalem und Bruder Marquardus, was der wohl unternommen hätte, um mit einem Widerspenstigen fertig zu werden. Vielleicht hätte er es auf die sanfte Art versucht, etwa so: »Da sei Gott vor, daß ich einen zwingen würde, etwas zu glauben, das er nicht glauben will. Geh also frei von dannen, Hans Lüddecke, und schrei in alle Wälder, daß ich ein Betrüger bin.« Damit trat er ganz dicht an den Ritter heran und sah ihm in die Augen. »Aber des bin ich gewiß; nicht zum zweiten Mal hebst du den Arm gegen den, der dir schon einmal das Leben schenkte.«
Hans Lüddeckes Gesicht, von der Trunksucht eh schon gezeichnet, nahm nun eine blaurote Färbung an, und er senkte die Augen.
Da wurde Rehbock ganz eindringlich leise. »Hast du die Wunde vergessen, die deine Hand mir schlug auf diesem Schlachtfeld hier …? Judas du! Ich war und bin dein Fürst!«
Die nahe standen, sagten später, in diesem Augenblick sei die Narbe auf Waldemars Stirn, die man sonst wenig bemerkte, feuerrot geworden – wie ein
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