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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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hatten es vor kurzem erst geübt, nachdem ihm Hanne von der Tat des Bürgermeisters lang und breit berichtet hatte. Wie so vieles über Gransee. Er hatte sie nicht nur zu sich ins Bett geholt, um seine Lust zu haben, sondern auch, um sie gehörig auszuhorchen und seinem Herrn den Weg zu ebnen. Das war es, wofür man ihn bezahlte. »Unter seinem Pferd war er begraben …«, wiederholte er laut.
    Da fiel Rehbock die Sache wieder ein. Herr, ich danke dir! Züchtige mich, Herr – doch mit Maßen und nicht in deinem Grimm, auf daß du mich nicht aufreibest.
    »Doch, am Tag der Schlacht«, sagte Rehbock nun, »führte ein wackerer Mann die Bürger. Er trug ein blaues Wams, die linke Wange hatte schon ein Pfeil gestreift.« Damit ging er auf den Bürgermeister zu, um ihn mit beiden Armen zu umfangen. »So hast du mich, teurer Freund, unter meinem Pferd hervorgezogen.«
    »Er ist es!« rief Andreas Grote da. »Die Narbe – die Narbe ist echt.«
    Rehbock lachte. »›Wenn dir Gott nicht hilft, dann wenigstens ich!‹ – Das hast du gerufen.«
    »Ja, so ist es!« Andreas Grote mußte es bestätigen.
    Henning von Nienkerken konnte aufatmen. Hanne hatte ihm auch dieses erzählt. Wahrscheinlich wußten alle in Gransee davon, denn nun kannte der Jubel keine Grenzen mehr, und auch die Ratsherren stimmten mit ein. Bis auf den jungen Eitelberger.
    »Das mag unser Bürgermeister wirklich gehört haben an diesem Tage«, sagte der, ebenso vorlaut wie mutig, »aber er hat es inzwischen so vielen anderen gesagt, daß es jeder Betrüger vom Hörensagen wissen kann.«
    Das schien Eitelbergers Ende zu sein, denn sowohl die fanatisch gestimmten Anhänger in Waldemars Troß als auch die Granseer wollten ihn ob dieser Unverfrorenheit erschlagen.
    Da aber erhob sich ein Stückchen weiter vor der Stadt, wo der erste Wartturm stand, einiger Lärm. Man hörte es im Mauerwerk krachen, vernahm die schweren Schläge von Beilen und Äxten, aber auch Geschrei, Fluchen und Lachen.
    »Sie brechen den Turm auf!« schrie es im Volke.
    Henning von Nienkerken lief hin, um nachzusehen, was es dort wohl geben mochte, und es brauchte nur wenig Zeit, bis er es herausgefunden hatte.
    Hans Lüddecke und Meinhard Attenweiler, die beiden Gefangenen der Stadt, hatten klug geschwiegen und gewartet, was da vor ihnen wie auf einer weiten Bühne wohl geschehen würde. Dann aber hatte Hans Lüddecke unter den Rittern etliche erkannt, die alte Kumpane von ihm waren, und ihnen zugerufen, daß sie ihn und seinen Freund doch befreien möchten, und während die Fremden mit den Ratsmannen und dem Volke noch verhandelten, hatten Ritter aus Magdeburg und Anhalt, ohne ihre Anführer vorher zu fragen, die Pforte des Turmes aufgesprengt und die beiden Insassen befreit.
    Rehbock bemerkte dies erst, als es schon geschehen war, und sein Gesicht verfinsterte sich noch mehr, als ihm die Ratsmannen in Kürze sagten, warum sie den Ritter Lüddecke und den Kaufmann Meinhard Attenweiler aus Bayern in den Turm geworfen hatten. »Das alles ist nicht Rechtens!«
    Da trat Andreas Grote noch einmal vor ihn hin. »Herr Christ im Himmelreich, wenn du wirklich der wahrhafte Waldemar bist, dann zeig es jetzt. Der Waldemar ließ seiner nicht spotten, vor keinem Mann, hoch oder niedrig.«
    »Nein, bei Gott, er ließ seiner nicht spotten«, wiederholte Rehbock und fühlte sich hilflos wie ein Kind. Um wenigstens etwas imposanter zu wirken, legte er seinen stählernen Arm auf den Hals seines Rosses. Was nun? Da war sie wieder, diese furchtbare Leere im Kopf. Nur Psalmen und biblische Sprüche. Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, nach dir. Irgend etwas mußte er sagen. »Hans Lüddecke nanntet Ihr den einen Mann, den Ritter?«
    »Ein böser Mann, der uns viel Schaden tat.«
    Langsam fing sich Rehbock wieder und besann sich auf das, was er seit Wolmirstedt gelernt hatte. »Doch wer gab Euch das Recht, einen Edelmann zu richten?«
    Die Ratsmannen verneigten sich erneut. »Herr, er ist geächtet seit Jahren und vogelfrei.«
    »So mag ihn totschlagen, wer ihn trifft. Wer aber gab euch das Recht zu solch grausamem Spiel? Zumal mit diesem Fremden aus Bayern?«
    »Hoher Herr!« nahm nun wieder Andreas Grote das Wort. »So wie wir das Recht haben, einen Mann zu rädern und zu köpfen, so vermeinen wir auch, daß es Rechtens ist, ihm Gnade zu schenken – auf welche Art auch immer. Und wenn zwei gesündigt haben, ist es an uns, daß einer die Buße übernimmt und der

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