Der Letzte Askanier
»Bitte, du nicht auch noch …« Zu viele der Brandenburger, die von den Litauern verschleppt worden waren, hatte schon der Wahnsinn gepackt.
»Es geht schon wieder.«
Hedwig nahm Adelas Kopf zwischen die Hände und sah ihr forschend in die Augen. »Was trägst du da für ein Geheimnis mit dir herum?«
»Was für ein Geheimnis?«
»Ich hab's doch eben in deinen Augen leuchten sehen.«
»Es war nur ein Funke der Hoffnung … Daß der Markgraf Ludwig mich suchen läßt, weil ich beweisen kann, daß der alte Markgraf wirklich gestorben ist, damals im Jahre 1319 bei Bärwalde, und folglich der Mann, von dem du sprachst, nur ein Betrüger ist.«
Hedwig sah sie ungläubig an. »Markgraf Ludwig dich suchen lassen …?«
»Ja, sicher. Er wird Erkundigungen einziehen lassen, wie es damals gewesen ist, wie Waldemar gestorben ist, wie wir ihn gefunden und den Leichnam nach Chorin gefahren haben, auf dem Wagen meines Vaters, auf dem ansonsten Säcke mit Korn und Mehl gestanden haben, von zwei Pferden gezogen.«
»Und wie soll er dich hier finden?«
»Sie werden ihm sagen, daß die Zeugen von damals hierher verschleppt worden sind – und er wird kluge Leute nach Litauen schicken, um mich hier aufzuspüren. Eines Tages wird ein Ritter kommen und mich befreien.« Und mit leuchtenden Augen sprach sie davon, daß es ihr der Herr schon längst offenbart hätte. »In einem Traum.«
Hedwig lachte. »Am besten, du reitest gleich zu den Ordensrittern hin und fragst sie, ob einer nach dir sucht.«
»Lach du nur.«
»Ach, Adela, ruh dich mal ein bißchen aus.« Hedwig mußte wieder zurück aufs Feld. Sie küßte die Freundin kurz auf die Stirn.
»Ist gut, ja …«
Adela hatte es nicht eilig, nach Hause zu kommen, denn zu kochen gab es heute nichts. Sie selber konnte sich mit einer Schüssel saurer Milch begnügen, und Mindaugas, ihr Mann, war Soldat in Olgerds Heer, und es würde noch eine geraume Weile dauern, bis er wiederkam. Fast hoffte sie, daß er nie mehr wiederkam. Es war ein elendes Leben mit ihm. Seine Hunde hatten es besser als sie.
Sie sah so jammervoll aus, daß Jaunutis, einer ihrer Schwäger, von dem Gedanken abließ, zu ihr zu gehen und das mit ihr zu tun, was er schon lange wollte. Unauffällig war er ihr gefolgt und lag nun geil und gierig im Gebüsch, wäre auch schon zu ihr hingestürzt, wenn Hedwig nicht gekommen wäre. Aber nun zögerte selbst er. Nicht, daß ihm Adela zu krank vorkam. Was ihn abschreckte, war ihr wirrer Blick, wie sie aufgesprungen war und in deutscher Sprache etwas in die Wälder schrie, was er mit keinem Wort verstand.
Dann sah er sie im dichten Unterholz verschwinden. Jaunutis folgte ihr nicht, denn er hatte Angst vor Hexen. Erst später im Dorf, als einer der Fischer ganz aufgeregt umherlief und jeden beschuldigte, seinen Kahn geklaut zu haben, begriff er, warum seine Schwägerin aus der Mark Brandenburg so aufgeregt gewesen war: Adela hatte in einem Anfall von Heimweh die Flucht ergriffen. Wenn sie sich ins Boot setzte und einfach treiben ließ, konnte sie drei Tage später an der Strebe sein, an der Stelle, wo die deutschen Ritter lagern sollten.
KAPITEL 17
1348 – Berlin und Luckau
R ehbock stand auf den Zinnen des Hohen Hauses und sah auf Berlin und Cölln hinab. Brandgeruch hing über der gesamten Doppelstadt, und noch immer stieg ein feiner Rauch in den herbstlichen Himmel. Man schrieb den 21. September. Beim Einrücken seiner Truppen hatte es eine große Feuersbrunst gegeben, von der ein nicht unbedeutender Teil der Häuser zerstört worden war. Wie sie entstanden war, wußte niemand mit Sicherheit zu sagen. Im Verdacht standen seine Soldaten ebenso wie Berliner Bürger, die ihm verbrannte Erde hatten hinterlassen wollen. Das Feuer konnte aber auch rein zufällig ausgebrochen sein. Gleichviel, in seinen Freudenbecher war ein Wermutstropfen gefallen.
Schon in Spandau hatte es Widerstand gegeben, und ein gewaltsames Vorgehen war nicht zu vermeiden gewesen, obwohl es zu eigentlichen Kriegshandlungen nicht gekommen war. Hier schon hatten sich seine Truppen zum Zwecke der Unterwerfung Berlins mit denen des Herzogs Johann von Mecklenburg vereinigt, denn man wußte, daß Markgraf Ludwig in Berlin und Cölln über einen größeren Anhang verfügte. Erst zwei Jahre zuvor hatten beide Städte feierlich gelobt, ihm und seinen Erben die Treue zu halten und ohne sein Wissen kein neues Bündnis einzugehen. Solch ein Versprechen war eine ernste Sache, und der Rat konnte
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