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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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Himmelszeichen.
    Hans Lüddecke begann zu zittern und stürzte nieder wie vom Blitz getroffen. Indem er die Füße Rehbocks umfaßte, rief er: »Er ist mein Herr und Fürst! Gnade mir Sünder!«
    Da wurde es so still vor den Toren Gransees, daß man die Blätter im Winde rauschen hörte.
    Rehbock nutzte die Gunst der Stunde und hob seine Hände zum Himmel empor. »Ich bin kein Betrüger, ich schwöre es euch!«
    Und er war in seinem Innern nun wirklich Waldemar und niemand anders, und der Müller Rehbock, das war einer, den er mal getroffen hatte bei seinen vielen Ritten quer durchs Land.
    Nun wandte er sich wieder an die Ratsherren der Stadt. »Dieser Mann unterwirft sich meinem Gericht. Und ihr, Männer von Gransee, wollt ihr euch desgleichen dem Spruch eures Markgrafen unterwerfen oder etwa nicht!?«
    Da riefen alle: »Es sei so, wie du sprichst!«
    »Gott möge verhindern«, sagte Rehbock nun mit dem Pathos jener Prediger, denen er in Jerusalem und anderswo vielfach begegnet war, »daß mein Fuß auf der Schwelle meiner teuren Heimat im Blut ausgleite, und darum hört mein Urteil im Falle von Hans Lüddecke: Er hat euch geschädigt, wie ihr sagt, durch Angst mehr denn durch Taten; also hat er seinen Lohn weg dadurch, daß er in Todesangst viele Tage auf dem Turm zu leben hatte. Ihr seid quitt, und er ist frei, das ist mein fürstliches Gnadenwort. Er schwört euch, daß er euch sein Leben lang nicht mehr schädigt und kränkt. Dies ist mein Wille. Und ich bin sein Bürge.«
    Zur Zustimmung schlug sich Hans Lüddecke heftig an die Brust; Worte vermochte er keine mehr hervorzubringen.
    Da hob der alte Andreas Grote seine Arme, und seine Augen leuchteten. »Gott sei mein Zeuge, ihr lieben Mitbürger: er ist's. Es ist der echte Markgraf, der hier vor euch steht. So kann nur Waldemar richten!«
    Und nun brach ein Jubel aus, wie ihn Rehbock nie zuvor erlebt hatte. Der Bürgermeister kniete nieder und bat ihn um Vergebung, daß er an ihm gezweifelt hatte. Alle, so war es Sitte in der Mark, sanken nun gleichfalls zu Boden, denn diesen Fürsten hatte ihnen Gott geschenkt, um ihnen bessere Zeiten zu bringen.
    Henning von Nienkerken sah es mit einigem Erschaudern. »Morgen pilgern sie gar noch nach Zehdenick und Heiligengrabe, um für dieses Wunder zu danken.« Und einige taten das dann wirklich.
    Ein Wunder ist es ja tatsächlich, dachte er weiter, daß niemand merkt, wer ihm als Fürst vorgesetzt wird. Ja, wer wohl? Da war er um eine Antwort verlegen, und wie er seinen Herrn so stehen sah, wirklich wie einen Fürsten, da kamen ihm Zweifel an seinem Zweifel. Vielleicht irrte er doch, und dieser Mann war wirklich echt. Vieles, sehr vieles sprach dafür. Er beschloß, seine innere Distanz zum echten oder falschen Waldemar, wie auch immer, zu überwinden.
    In diesem Augenblick begannen alle Glocken von Gransee zu läuten, und Kurt von Alvensleben gab das Zeichen zum Gesang: Gloria in excelsis deo!
    Damit hielten sie Einzug in Gransee.

 

    KAPITEL 16
    1348 – Litauen
    A dela Rehbock saß am Grab ihrer Mutter. Mindaugas, ihr Mann, hatte ihr nach vielem Bitten und Betteln erlaubt, in der Mitte eines lichten Birkenwäldchens einen kleinen Hügel aufzuschütten und mit einem Kreuz zu versehen, das aus zwei Zweigen bestand, von einem dünnen Bastfaden gerade eben so zusammengehalten.
    Die stumme Zwiesprache mit ihrer Mutter war das Ritual, das ihrem Tag Sinn und Inhalt gab. Sie mußte heute lange warten, bis sie die Stimme der Mutter dünn und wie aus weiter Ferne hörte.
    »Jetzt wo ich tot bin, kannst du doch nach Brandenburg zurückkehren.«
    Adela ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. »Dich hier zurücklassen in fremder, heidnischer Erde? Niemals!«
    »Nur mein Leib bliebe hier, mein Geist wird mit dir ziehen.«
    »Mutter, wie soll ich es denn schaffen bis zur Oder zurück!? Nicht einmal der kühnste Ritter wäre dazu in der Lage – allein.«
    Seit dreiundzwanzig Jahren war sie hier in Samaiten, was umschlossen wurde vom Gebiet der Pruzzenstämme im Süden, der Ostsee im Westen, Kurland im Norden und dem Großfürstentum der Litauer im Osten, und diese sahen sich auch als die Herren, wurden aber immer wieder vom Deutschen Orden bedrängt, der den Weg nach Livland sichern wollte. Adela wußte dies alles von Hedwig, ihrer Freundin, deren Mann als Waffenmeister im Heer des Großfürsten Olgerd vieles erfuhr. Bei ihm hatte Adela auch eine Landkarte gefunden, die bis zur Oder reichte, und sich alles abgezeichnet, was von

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