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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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Bedeutung war. Darauf ging nun ihre Mutter ein.
    »Kind, du kennst den Weg …«
    »Im unwegsamen Gelände, ja!« rief Adela aus. »Du erinnerst dich wohl nicht mehr, wie wir hergekommen sind. Wenn die Soldaten hindurch wollen, müssen sie sich erst mühsam ihre Schneisen schlagen. Und Flüsse gibt es, die sich nicht durchschwimmen lassen, Moore, in denen man versinkt, Wälder, aus denen es kein Entrinnen mehr gibt, und viele Wegstrecken nur dürre Heide, auf der man vor Hunger und Durst zusammenbricht. Nirgendwo ein Dorf, nur Öde.«
    »Man darf sich niemals aufgeben, Kind!«
    »Ich habe meine eigenen Kinder hier.«
    »Die sind längst flügge geworden und erinnern sich deiner nicht mehr.«
    »Mutter, wir leben hier auf einer Insel, ringsum ist das endlose Meer – und ich kann nicht einmal schwimmen.«
    »Der Herr wird dir helfen!«
    »Und wenn – was soll ich in Bärwalde: Ein Zuhause gibt es nicht mehr. Unsere Mühle ist verschwunden, und keiner ist noch da, mich wiederzuerkennen und in die Arme zu schließen. Ich würde eine Fremde in der Heimat sein. Ach, was rede ich: es ist ja reiner Irrsinn, an eine Flucht zu denken! Es zu wagen, wäre der sichere Tod.«
    Hinter ihr knackte es im Unterholz. Sie fuhr herum. Doch es war nur ihre Freundin Hedwig, die sie aus Arnswalde verschleppt hatten, was noch ein wenig östlicher als Bärwalde in der Neumark lag, der Terra Transoderana. Auch sie war in Litauen vorzeitig grau geworden, hatte ihre Kraft in harter Arbeit verbraucht, war aber im Gegensatz zu Adela nie trübe oder zornig gestimmt, sondern trug ihr Schicksal mit Gelassenheit. Überall auf der Welt hatte sie Kühe zu melken und Ställe auszumisten und unter stinkenden Männern stillzuhalten. Egal, ob das nun ein Deutscher oder ein Litauer war. Hauptsache, sie hatte etwas zu essen und ein Dach überm Kopf.
    »Na, sprichst du wieder mit deiner Mutter?« fragte Hedwig, als sie sich neben Adela ins Gras geworfen hatte.
    »Sie ist unzufrieden mit mir, sie will, daß ich nicht länger hier in Litauen bleibe.«
    Hedwig gähnte. »Unser Hund will auch nicht in der Hütte bleiben, aber beiß du mal eine dicke Kette durch.«
    Adela protestierte laut. »Bin ich vielleicht ein Hund!?«
    »Menschen sind auch nur Tiere.«
    »Ich nicht.«
    Hedwig lachte. »Du wolltest ja schon immer etwas Besonderes sein.«
    Adela nahm es ihr nicht krumm und lachte mit. »Mein Vater war immerhin ein Müller.«
    »Ein Mehlsack!« spottete Hedwig.
    »Und deiner war der Abdecker von Arnswalde.«
    »Gott, einer muß eben wegschaffen, was gestorben ist.«
    »Lassen wir das …« Adela richtete sich auf und kaute an einem Grashalm. »Was gibt es für Neuigkeiten aus dem Quartier des Großfürsten?«
    »Die Ritter vom Deutschen Orden lagern an der Strebe, gleich bei Kowno. Berühmte Herren aus Frankreich, England und Deutschland sind dabei. Sie haben alles erschlagen, was da wohnt, Pruzzen und Litauer, die Dörfer niedergebrannt und Beute gemacht. Nun will Olgerd sie aufhalten.«
    »Schrecklich alles!«
    Hedwig ließ sich die gute Laune nicht verderben. »Nun, was kann dir Besseres passieren: Die Deutschen überrennen unser Dorf und verschleppen dich als Litauerin nach Brandenburg!«
    »Was soll ich in der Mark Brandenburg?«
    »In Brandenburg …« Hedwig hatte einen Pilz aus der Erde gedreht und roch daran, um zu prüfen, ob er eßbar war. »Nun, da soll sich allerhand tun …«
    Adela reagierte mit bitterem Spott. »Was soll sich groß da tun: Ludwig läßt das Land verkommen.«
    »Ja, aber jetzt wird alles anders, denn Waldemar ist wieder da.«
    Adela sprang auf. »Was denn: Markgraf Waldemar!?«
    »Markgraf Waldemar. Auferstanden von den Toten.«
    »Unmöglich!« schrie Adela. »Nach so langer Zeit!«
    »Nein, viele hohe Herren sollen ihn wiedererkannt haben. Der Erzbischof von Magdeburg, die Grafen von Anhalt …«
    »Wer sagt das?«
    »Ein Ritter aus Bayern, den Olgerd gefangen hat.« Hedwig richtete ihre hellen Augen prüfend auf die Freundin. »Warum erregt dich das denn so?«
    »Gott, ich habe Waldemar doch selber tot am Boden liegen sehen«, war Adelas Antwort. »Und seine Soldaten haben ihn abgeholt und nach Chorin gebracht, wo eine schwere Grabplatte über seine Gruft gelegt worden ist.«
    »Das Volk glaubt eben, was es glauben will – und auf einen Erlöser warten sie in Brandenburg schon lange.«
    »Vielleicht erlöst er auch mich«, sagte Adela und sank wieder zu Boden.
    Hedwig legte der Freundin die Arme um die Schultern.

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