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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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allererster.
    Selbstverständlich waren die Patrizier – die Geschlechter, wie man sagte – von erlesenster Pracht. Die Alten mit ihren schwarzen Feierwämsern und güldenen Ketten waren in der Nähe des Tores verblieben, und die Jungen hätten eigentlich in voller Rüstung vor ihrem Landesherrn erscheinen müssen, wollten aber lieber protzen und sich in ihren schönsten Kleidern zeigen, die vom feinsten Scharlachtuche waren oder blau und mit Seide gefüttert und ausgepufft und raffiniert geschlitzt.
    Die Mönchsorden, die Dominikaner wie die Franziskaner, zogen mit ihren härenen Gewändern umher, den Rosenkranz um die Hände geschlungen. Die Träger keuchten unter ihrem schweren Kruzifix oder hatten Mühe, die hohen Kirchenfahnen aufrecht zu halten, selber so klein.
    Das sah sehr nach Demut aus, Henning von Nienkerken meinte aber, in ihren Gesichtern viel Überhebung zu sehen. Der Propst und seine Kaplane und Diakone steckten in reichen Meßgewändern mit Geschmeide, Stickereien und anderem, und Knaben in roten Kleidern mit weißem Überwurf trugen ihnen die Baldachine und Monstranzen, schwenkten die dampfenden Weihrauchkessel hin und her und trugen armdicke Kerzen. Da waren sehr viele feiste Gesichter.
    Rehbock sah das alles mit glänzenden Augen. Die Letzten werden die Ersten sein … Wie hatte sich das hier erfüllt! Er war doch nur ein armer Pilger und tumber Müller gewesen – und nun war er wie ein König für sie. Überall hohe Standarten und bunte Reiherfedern, und Trompeten riefen drüben, und Trompeten antworteten hüben. Von Cedelendorp kam eine Schar herangesprengt.
    »Waldemar! Er ist's! Er ist's!«
    Die Mützen und Hüte flogen in den Himmel, und die Mäuler waren aufgesperrt. Auf daß er ewig lebe! Bis in die Wolken fuhr es hoch.
    Die Hand huldreich gehoben, den Kopf ein wenig, aber nicht zuviel, geneigt, so grüßte Rehbock seine Untertanen und war nun wieder gänzlich Waldemar. Niemand hätte in ihm den armen Pilger aus Jerusalem gewittert. Auf einem weißen Roß ritt er jetzt, auf dessen Rücken eine Scharlachdecke lag. Auch Hals und Schweif waren fürstlich geschmückt. Der rostige Eisenharnisch, den er bei Gransee getragen hatte, war längst ausgetauscht gegen eine glänzende Rüstung von edlem Stahl, hellblau angelaufen und ausgelegt mit silbernen Figuren und Reifen. Darüber wallte der Purpurmantel, fein mit Hermelin besetzt, und auf dem Haupte trug er statt des Kriegshelms eine Haube aus blinkendem Stahl, um die sich eine Mütze wand, die dem Mantel ähnelte und wie eine Krone wirkte.
    Rehbock ritt allein durch die Gasse, die sich vor ihm aufgetan hatte. Die Leute wagten vor Ehrfurcht kaum noch zu atmen. Die Grafen, Herren und Ritter blieben mehrere Schritte zurück. Einsam und allein fühlte er sich, wie von einer anderen Welt.
    Auf einem feurigen Rappen kam ein junger Bursche auf ihn zu gesprengt, und seine Augen leuchteten voll Übermut. Rehbock wußte, daß das Tile Wardenberg war, Sproß eines der mächtigsten Geschlechter Berlins. Keiner war so prächtig gekleidet wie er, fast zu reich, und sein Bart war gekämmt und gekräuselt und duftete nach feinen Spezereien.
    »Fürstliche Gnaden!« rief der junge Wardenberg. »Die Bayern wollen wir aus Brandenburg verjagen und Eure Herrschaft mehren!«
    Auf der Langen Brücke über die Spree stand das gemeinsame Rathaus der vereinigten Städte Cölln und Berlin, und hier in der Gerichtslaube hatte der neue Waldemar morgen seines Amtes zu walten. Schultheiß beider Städte war Herr Tile von Brugge, der als Münzmeister zu Reichtum gekommen war. Er hatte das Recht, ein jedes Mal, wenn es angeordnet wurde und ihm alle ihre Geldstücke einlieferten, die Münzen umzuschlagen und neue Pfennige für die alten auszuzahlen. Das warf viel Silber ab für die Münzmeister, wesentlich mehr, als sie es für die Mühe des Prägens wohl verdient hätten. Das Münzrecht hatte zwar früher den Landesherren gehört, doch die – immer in Geldnot wegen ihrer teuren Burgen, Schlösser und Kriege – hatten es vielfach an Stände oder einzelne Vertrauenswürdige abgetreten, manchmal auch an treue Diener verschenkt. Für Bürger und Volk war es schlimm, wenn die Münzmeister schlechte Münzen prägten.
    Der Münzmeister und Schultheiß Tile von Brugge trat nun Rehbock im Rathaus zur Begrüßung entgegen, während der Ratsmann Peter von Rode ihm den Ehrenbecher reichte.
    Rehbock setzte ihn an die Lippen. »Auf das Wohlsein meiner guten Städte Berlin und

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