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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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nachgegeben hatte. »Schauen wir mal, aber du wirst sehen, daß du unrecht hast.« So waren sie am 28. September nach Frankfurt gezogen – und das Unwahrscheinliche geschah: Der Feind hob, um eine Schlacht zu vermeiden, vorerst die Belagerung auf und zog sich gegen die Johanniter-Komturei bei Lietzen zurück. Frankfurt öffnete seinem bisherigen Landesherrn die Tore und nahm ihn mit Freuden auf.
    Und diese Freude hielt bis heute an, denn als Meinhard jetzt mit Kuneke durch die morastigen Gassen stapfte, da waren die Trinkstuben voll, und die Becher erklangen bei frohem Rundgesang. Wenn die Wolken einmal aufrissen und sich schmale Streifen hellblauen Himmels sehen ließen, dann drängten sich aus den Gewölben bunte Gestalten, und ein ausgelassener Mummenschanz trieb sich jubelnd durch die Stadt. In langen Zügen schwenkte und tanzte er herum und ließ alle hochleben, die sich Verdienste um die Stadt erworben hatten. Am lautesten aber wurde der Jubel und dröhnte bis über die Mauern und in das Lager des Feindes hinein, wenn sie vors Rathaus kamen, wo ihr Markgraf Quartier genommen hatte.
    Als Meinhard und Kuneke dort hielten, schrie das Volk so laut und lange, bis die Trompeten schmetterten und die Pauken dröhnten mit einem solchen Getöse, daß Ludwig nicht anders konnte, als das Fenster zu öffnen und sie alle herzlich zu grüßen.
    »Das ist der schiere Wahnsinn«, sagte Meinhard.
    »Solch ein Volksfest hab ich vorher nie gesehen«, staunte Kuneke.
    Meinhard freute sich für seinen Freund. Vielleicht gewann Ludwig aus solchen Szenen die Kraft, Brandenburg den Wittelsbachern zu erhalten. Zugleich aber dachte er an die Gräfin Matilde. Was wäre aus Ludwig geworden, wenn er sie und nicht die Maultasch zur Frau genommen hätte? Ganz sicher der machtvollste Herrscher im mittleren Europa, ein starker deutscher Kaiser und einer, der Karl, den Fuchs, das Fürchten lehrte. So aber saßen sie hier quasi als Gefangene und erwarteten bei frohem Tanz das Ende ihrer Tage.
    »Ich bewundere Ludwig«, sagte Kuneke. »Ein anderer hätte das Spiel schon verloren gegeben und wäre längst geflüchtet. Er aber ist von ritterlichem Sinn und will hier mutig und in Ehren sterben.«
    »Elend verhungern werden wir!«
    Erneut schmetterten die Trompeten und dröhnten die Trommeln. Diesmal aber waren es Soldaten, die durch die Gassen zogen, und keine fröhlichen Masken bestimmten das Bild, sondern Eisenhauben und Büffelwämser, Harnische und Leibschienen. Die Hellebarden und Morgensterne blitzten über den Köpfen, so stiegen sie hinauf auf die Wälle. Die Stadtbanner rauschten auf den Mauern neben den blauweißen Bayernfahnen. Der Schild diente meist dazu, den Regen abzuhalten, der unablässig vom Himmel fiel, und erst wenn die Pfeile geflogen kamen, wurde er heruntergerissen, um die Bolzen der Feinde abzuwehren.
    Kuneke zog es wieder in die Schenke, und so stand Meinhard allein auf dem Wall. So eng hatten die Belagerer ihren Ring gezogen, daß er einzelne erkennen konnte, den Hans von Lüddecke, der Waldemar auf Schritt und Tritt begleitete, den Coppekin, der nun wieder Ritter war, und Kunat von Kremmen schließlich, der schon in Gransee dabeigewesen war. Nahe am Frankfurter Graben waren sie aufgepflanzt, die Banner von Anhalt, der rote Adler Brandenburgs und die Zeichen all der Stände und Ritter, die zu Waldemar hielten. Bei Pilgram wehten die Fahnen der Herzöge aus Sachsen, und von Müncheberg her flatterten Karls Zeichen in so großer Zahl, daß sich Meinhard nur immer wieder wundern konnte, wie eine einzelne Stadt den Mut hatte, so vielen und mächtigen Männern die Stirn zu bieten, aber sie alle waren wie im Rausch.
    Es trieb ihn zurück ins Rathaus, um mit Ludwig zu erörtern, wie es weitergehen sollte.
    Ludwig war furchtbar mißgestimmt, lief im engen Rathauszimmer umher wie ein gefangener Löwe, brüllte auch des öfteren wie ein solcher und rüttelte immer wieder an Türen und Fenstern, daß es die fast aus ihren Angeln riß.
    »Ich will raus aus diesem märkischen Morast, ich will zurück in meine Berge!« schrie er. »Frankfurt – das ist kein Rettungsboot für mich, das ist eine Rattenfalle. Attenweiler, du bist schuld daran!«
    Meinhard lachte. »Lieber im Kot als tot.«
    »Und keine Frauen hier! Schaff mir ein Weib herbei, oder der Wahnsinn rafft mich dahin …« Er warf sich krachend auf den Ratsherrnstuhl, den sein Kämmerer herbeigeschleppt hatte.
    »Kann sein, daß sich unsere Probleme bald von selbst lösen«,

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