Der letzte Aufguss
selbstverständlich die Zehn-Jahres-Regelung. Und
ganz unter uns: Soll das Studentenpack doch ohne Unterlagen auskommen. Lernen
wir eben etwas anderes. Mir macht das nicht das Geringste aus. Was schert mich,
was im Stundenplan steht, nur weil meine Vorgänger es so eingetragen haben?
Nichts, verehrteste â¦Â« Kröte wollte er schon sagen, doch seine Zunge stellte die
Arbeit früh genug ein. »Natürlich werden sich die vom Trinity College darüber
die Mäuler zerreiÃen, dass jemand vom St Johnʼs keine Unterlagen für ein
Seminar mitbringt. Und es sähe natürlich ganz schlecht aus, wenn der Eindruck
entstünde, der Universitätsbetrieb liefe wegen eines Professors vom St Johnʼs
nicht mehr rund. Da würden die vom Trinity sich die Hände reiben. Aber wissen
Sie was? Sollen die doch! Mich stört das überhaupt nicht, ich bin sowieso nach
einem Semester wieder in Hamburg.«
Die Kröte stand auf. »Warten Sie hier.«
Keine fünf Minuten später kam sie wieder und schob einen kleinen
Rollwagen vor sich her, auf dem sich fünf Kartons stapelten. »Das sind die
Unterlagen von Professor Cleesewood. Ein feiner Mensch war das. Wenn Sie das
durchgearbeitet haben, kommen Sie wieder, dann bringe ich Ihnen die
Schriftstücke des Earls.«
Doch gerade als Bietigheim den Wagen in Empfang nehmen wollte,
tippte ihm jemand auf die Schulter â ein Verhalten, das er gar nicht leiden
konnte. Noch dazu besaà dieser Jemand einen Stahlfinger. Und als der Professor
plötzlich Minze roch, wurde ihm klar, dass hinter ihm sein schlimmster Albtraum
stand: Professor Heinz-Helmut Töler. Der Mann, den er noch aus gemeinsamen
Heidelberger Studententagen kannte, der ihm einst die Stelle an der Berliner
Universität weggeschnappt hatte, der Mann, der einen Monat vor ihm eine Arbeit
zum Thema Pumpernickel publiziert und damit Bietigheims Abschlusswerk zu einem
Schattendasein verdammt hatte, der Mann schlieÃlich, der ihn zum Gespött seiner
Zunft gemacht hatte, als er dessen gefeierte Gulaschkanonentheorie widerlegte.
Auch Töler forschte kulinarisch, allerdings mehr von der chemischen
Seite. Sein Steckenpferd war die vielseitige Verwendung von Minze. Minze â
Gottes gröÃter Fehler! Töler hatte auf Bietigheims Stelle in Cambridge
spekuliert, doch man hatte sich für einen geeigneteren Kandidaten entschieden,
einen mit Esprit und Genie: Adalbert Bietigheim. Ihn selbst! Dieses eine Mal
hatte Töler verloren. Das würde ihn bis ins Mark getroffen haben.
Bietigheim drehte sich mit einem Lächeln um.
»Mein lieber Professor Töler, welche Freude!« Strahlend schüttelte
er ihm die Hand, dabei schmerzten ihm beim Anblick dieses Kollegen die Augen.
Wie der Feuerzangenbowle entsprungen sah er aus. Und trug Fliege! So etwas
konnten nur sehr wenige. Dann dieses Penible, für seine Hosenfalten brauchte er
sicher einen Waffenschein! Dazu unerträglich arrogant und besserwisserisch. Ein
höchst unangenehmer Mensch.
So ganz anders als Bietigheim selbst.
Und einen Hund besaà er auch. Einen Terrier, aber keinen Foxterrier,
sondern einen Scotchterrier. Eine Hündin. Benno schnüffelte diesem Mistvieh
aufgeregt am Hintern herum.
»Sind das dort etwa die Unterlagen Ihrer Vorgänger, die dürfen aber
nicht â¦Â«, setzte Töler an.
»â¦Â in falsche Hände geraten, deswegen bringe ich sie gerade hier ins
Archiv!«, flötete Bietigheim zurück.
»Es sieht aber aus, als ob Sie die Kisten hinaus- und nicht
hineinbefördern würden.«
»Ihr Auge trübt, äh, trügt.«
»Am Eingang dieses Archivs sitzt jemand von meinem College, dem
ruhmreichen Trinity, und er wird netterweise auch zukünftig darauf achten, dass
niemand vom St Johnʼs etwas Dummes anstellt.« Töler hielt weiter Bietigheims
Hand fest.
»Ich darf also annehmen«, konterte dieser, »dass Ihr, sagen wir,
Spion Sie hierher bestellt hat, um Schlimmeres abzuwenden. Wie Sie sehen,
völlig zu Unrecht.«
Töler verstärkte nun den Griff seiner Hand, er versteinerte ihn
fast. Dann lächelte er. »Mein lieber Professor Dr. Dr. Bietigheim. In
wissenschaftlichen Kreisen hat sich Ihre Vorliebe für das Kriminelle längst
herumgesprochen, wir können also offen miteinander sein. Wenn man sich wie Sie
wissenschaftlich nicht so sehr engagiert, hat man sicherlich Zeit für
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