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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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solchen
Zeitvertreib. Ich wünschte ja, mir ginge es ähnlich, aber zu viele Vorträge,
Forschungsaufträge und Auszeichnungen, Sie verstehen sicher. Da fehlt es mir
einfach an freien Tagen für derlei Detektivspielchen. Ihnen gönne ich diesen
Zeitvertreib selbstverständlich von Herzen. Doch diese Unterlagen sind tabu,
und daran haben sich alle Professoren, ganz besonders Gastprofessoren wie Sie,
zu halten.«
    Bietigheim rollte den Wagen zurück ins Archiv, und bevor die dort
immer noch sitzende Krötendame etwas sagen konnte, tat er es selbst. »Hier die
bestellten Unterlagen. Ich habe alles noch einmal durchgesehen, nichts fehlt.
Kennen Sie eigentlich meinen Kollegen, Herrn Töler?« Bietigheim ließ dessen
akademischen Grad ganz bewusst wegfallen. »Er ist ein Fellow des Trinity. Sie
haben ihn sicher noch nie gesehen, meist forscht er, sagt er zumindest. Er
stammt aus Deutschland wie ich, aber dort wurde ihm keine Stelle gerecht.
Deswegen sind wir Deutschen froh, dass er hier in England eine Bleibe gefunden
hat. Es wird mir eine ganz besondere Freude sein, dafür zu sorgen, dass bald
ganz Cambridge von seinen besonderen Qualitäten weiß.«
    Mit diesen Worten machte Bietigheim auf dem Absatz kehrt und verließ
das Gebäude mit dem schalen Gefühl eines Triumphes. Denn in seinem Inneren war
ihm sehr wohl bewusst, dass diese Schlacht an Töler gegangen war. Und er mit
leeren Händen dastand.
    Wie sich herausstellte, waren mittlerweile auch sämtliche Unterlagen
aus dem Institut für Kulinaristik ins Archiv gewandert. Tabula Rasa. Und noch
etwas stellte sich heraus: Asha Ghalib war weiterhin sauer auf ihn. Sie
servierte dem Professor erneut einen Beuteltee. Diesmal sogar lauwarm.
Bietigheim hatte von seinem Onkel Ansgar gehört, dass dessen Frau ihm eine
ganze Woche Wirsingeintopf serviert hatte, weil er sich weigerte, den Rasen zu
mähen. Doch das hier übertraf alles.
    Â»Wenn ich beim nächsten Mal wieder solch eine kulinarische Frechheit
von Ihnen serviert bekomme«, erklärte er seiner Sekretärin, »werde ich Sie
entlassen. Fristlos. Auf der Stelle. Und ohne Abfindung. Nur mit einer Packung
Beuteltee in der Hand. Das, was in der Zeitung stand, habe ich niemals gesagt.
Es ist eine Frechheit und dem Ansehen meiner hochverehrten Vorgänger nicht
angemessen. Diese vermaledeite Yellow Press! Wenn noch einmal solch ein Bericht
hier hereinflattert: Verbrennen Sie ihn bitte auf der Stelle!«
    Und damit verließ er das Institut wieder, denn er hatte nun eine
Vorlesung, seine erste in Cambridge. Natürlich war Bietigheim perfekt
vorbereitet. Die Studenten hier in Cambridge waren schließlich großartiges
Material. Voll bei der Sache.
    Kein Wunder bei den horrenden Kosten für ein Semester.
    Hier wurde die wertlose Kohle in ihren Köpfen durch gewaltigen Druck
zu Diamanten gepresst. Keine Universität des Landes hatte eine niedrigere
Studienabbrecherzahl: nur ein Prozent. In Deutschland waren es fünfzig!
    Es lief bestens. Bietigheim sah bereits, wie es in den Augen der
jungen Menschen zu glitzern begann. Hier störte niemand, hier gab es keine
gelangweilten Gesichter – als hätten alle eine Extraportion Motivation mit
ihrem English Breakfast zu sich genommen. Was für eine Wohltat!
    Nach der Vorlesung stand ein Gespräch mit den Tutoren der Colleges
auf dem Programm, die das von Bietigheim Vermittelte mit den Studenten
vertiefen würden.
    Danach sprang er kurz bei sich zu Hause vorbei, hörte Pit ab,
stellte seine Niederlage gegen Töler wie einen Sieg dar, fütterte Benno und
nahm ihn danach wieder mit, und zwar zu einem Fahrradladen. Er brauchte endlich
einen beweglichen Untersatz mit einem Hundekorb, eine neongelbe
Sicherheitsweste – und eine ohrenbetäubende Klingel.
    Als er aus der Tür in der Pretoria Road trat, fiel der Regen langsam
und sporadisch, als wäre der Himmel voller tropfender Teekannen.
    Es war gut, Benno bei sich zu haben, dachte Bietigheim, dem es immer
weniger gelang, seine Angst zu unterdrücken. Zuerst die Fotos, dann der White
Darjeeling. So viele Drohungen in so kurzer Zeit, dann der Master des Colleges,
W. W. Stuart, der mehr wusste, als er zugab, und Töler, der ihn bei den
Nachforschungen behinderte. Nicht zu vergessen die Tweedstudenten.
    Mit Benno an seiner Seite fühlte er sich, nun ja, sicherer.
Schließlich war dieser ein wehrhafter Hund. Es sei denn,

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