Der letzte Aufguss
Mauritius trifft.
»Ja.«
»Dürfen wir auch?«
»Nein. Und versuchen Sie es gar nicht erst.«
Robert Parker lieà den Kopf sinken. »Wir wissen, dass Sie Ihr Haus
in eine Festung verwandelt und sich einen Brocken von Leibwächter angeschafft
haben. Der übrigens richtig gefährlich aussieht.«
»Was er auch ist.« Bietigheim nahm einen Schluck Port und aà dazu
Stilton â die beiden tanzten Tango in seinem Mund. Währenddessen blickten ihn
erwartungsvolle Gesichter an. Doch der Professor lieà sich Zeit. Penibel tupfte
er sich nach dem Genuss die Lippen mit seinem Stofftaschentuch ab.
Erst dann sprach er weiter. »Sehen Sie mich nicht so erwartungsvoll
an! Sie haben noch etwas in Erfahrung gebracht, oder? Etwas, das Sie mir nicht
erzählt haben. Dabei wünschen Sie Informationen und Unterstützung von mir. Ich
weià nicht, ob ich Ihnen unter diesen Voraussetzungen noch etwas anvertrauen
sollte. Lassen Sie es mich so deutlich ausdrücken wie möglich: Wenn Sie mir
nicht alles erzählen, was Sie wissen, erzähle ich Ihnen überhaupt nichts. Es
ist schlieÃlich mein Leben, das auf dem Spiel steht. Und soweit mir bekannt
ist, verfüge ich nur über das eine.«
Robert Parker gab dem Hüter des Geheimwissens, Joel Payne, das
Zeichen, ein Foto an die Wand zu werfen. Es zeigte das Eckgebäude der Mill
Lane, an dessen höchstem Punkt eine groÃe fliederfarbene Unterhose hing.
»Es gibt eine Society in Cambridge, die gleichermaÃen berühmt wie mysteriös
ist. Es wurden Bücher über sie verfasst, doch niemand weià etwas über die
Mitglieder. Sie klettern nachts und ohne dass sie jemand sieht auf die höchsten
Gebäude der Stadt und bringen dort etwas an. Es sind Scherze, doch ebenso
artistische Höchstleistungen.«
Bietigheim wusste natürlich von dieser Society. Dank ihr schaute
jeder Student in Cambridge auf dem Weg zu seinen Vorlesungen nach oben, um
festzustellen, ob irgendwelche Gegenstände an verblüffenden Stellen angebracht
worden waren.
»Dieses Foto wurde am Tag aufgenommen, als die Leiche des Earls
gefunden wurde. Was bedeutet, dass dieses ⦠Exponat dort in der Nacht des Mordes
angebracht wurde. Und von diesem Punkt am Haus aus, wir haben das geprüft, hat
man einen perfekten Blick auf den Bootsanleger, von dem das Punting-Boot mit
der Leiche losgemacht wurde. Wenn man bedenkt, dass die Füllung der Barke mit
Tee sicher einige Zeit gedauert hat, ist es nicht unwahrscheinlich, dass jemand
aus dieser Society den Täter gesehen hat.«
»Und warum«, fragte Bietigheim, »hat derjenige es dann nicht der
Polizei gemeldet?«
»Das würden wir die Person auch gerne fragen. Wenn wir auch nur den
Hauch einer Ahnung hätten, wer zu dieser Society dazugehört.«
Bietigheim nickte. Dies war eine Spur. Eine heiÃe sogar. Die zur legendärsten
Society Cambridges führte.
Den Nightclimbern.
KAPITEL
3
Earl Grey
Ein schlecht gelaunter Regen begrüÃte Pit am nächsten Morgen beim
Frühstück. Es waren zwar nur wenige Tropfen, die ans Fenster klopften, diese
aber so groÃ, als würden Riesen aus dem Himmel auf Cambridge spucken. Der
Professor war mit Benno spazieren, hatte zuvor jedoch eine Schultafel für Pit
aufgebaut, welche die wichtigsten Grundregeln des Tees enthielt. Ganz unten
stand groÃ: »Das müssen Sie in Ihren dicken Kopf kriegen«, gefolgt von drei
Ausrufezeichen.
Pit kochte sich Kaffee.
Der Vorstellungstermin in Auntieʼs Tea House war für zehn Uhr
anberaumt und damit kurz nachdem der ärgste Frühstücksansturm vorbei war.
Pit polierte sich den Kopf, bürstete seinen Bart und zog die
schwarze Lederhose mit den wenigsten Nieten an. Zivilisierter ging es ohne
Selbstverleugnung nicht. Trotz des eingebauten Parkplatzradars lieà er Alfons
den Viertelvorzwölften vor dem Haus stehen und ging zu Fuà ins Stadtzentrum,
denn das würde seinen Wangen einen gesunden rosa Teint verleihen. Kam sicher
gut an bei »Auntie«, dem Tantchen. Er musste auf seinen Schwiegersohncharme
bauen.
Oder vielleicht doch lieber auf Bestechung.
Auntieʼs Tea House war im Erdgeschoss eines alten,
selbstverständlich viktorianischen Reihenhauses untergebracht, eingequetscht
zwischen gröÃeren Nachbarn, die einen edlen Herrenausstatter und einen Laden
für allerlei modischen Krimskrams beherbergten.
Das kleine Teehaus
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