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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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angemessen.«
    Bietigheim blickte Pit an und sah in dessen Augen, dass er dasselbe
dachte wie er: Was, wenn der Mörder genau dadurch sein Ziel erreicht hatte?
Doch was in aller Welt konnte so gefährlich an einem englischen Matcha-Tee
sein?
    Erst spät in der Nacht waren sie zurück nach Cambridge gekommen,
trotzdem musste Pit sich am nächsten Morgen früh auf den Weg machen – so bekam
er immerhin nicht wieder das »Full English Breakfast« des Professors
aufgetischt. Zugegeben, es war alles lecker gewesen, aber selbst sein Magen
konnte nur handelsübliche Mengen Fett verarbeiten.
    Pit hatte Frühschicht, und »Auntie« war not amused, wenn man zu spät
kam. Eigentlich hieß sie Diana. »Ja, genau wie die Prinzessin. Sogar wegen der
Prinzessin«, hatte sie zu Pit gesagt, als sie ihm ihren richtigen Namen
verraten hatte.
    Pit kam so früh, dass er vor der Tür warten musste, weil noch
niemand aufgeschlossen hatte. Er stand in der Kälte der frühen Stunde und
blickte auf die schlafende Stadt. Hamburg war nie so still wie Cambridge, das
ihm immer noch wie ein Dorf erschien – was tagsüber wegen der unzähligen
Studenten und Touristen nicht auffiel.
    Er sog die kühle Luft tief in seine Lungen. »Aah!« Das war
erfrischend und gesund.
    Dann zündete er sich eine Zigarette an.
    Am metallenen Kirchenzaun gegenüber waren Dutzende schwarze
Fahrräder angekettet, viele davon mit Körben am Lenker – hoffentlich, dachte
Pit, gab es in dieser Stadt nicht noch mehr von Bietigheims Sorte. Einer war ja
ganz lustig, aber eine ganze Herde wäre zu viel des Guten.
    Plötzlich waren die schnellen Schritte einer Frau zu hören. Als sie
um die Ecke bog, hielt sie bereits den Schlüssel für Auntieʼs Tea House in der
Hand.
    Â»Morgen«, sagte Diana, ohne ihn eines Blickes zu würdigen und
schloss auf. »Stell doch gleich mal die Stühle von den Tischen.«
    Pit hatte zumindest ein kurzes Lob für sein frühes Eintreffen
erwartet. Lautstark stellte er die Stühle auf den Boden. Keine Reaktion aus der
Küche, wo Diana Vorbereitungen traf. Erst als er fertig war und keine Stühle
mehr knallten, meldete sie sich: »Wisch noch mal über die Tische. Aber bitte
ordentlich.«
    Pit wischte über die Tische.
    Dann stand sie neben ihm. Er hatte gar nicht gemerkt, wie sie zu ihm
getreten war. Sie blickte ihn lange und prüfend an. »Du bist ein starker Kerl,
oder ist das alles Fett?« Sie kniff in seinen Oberarm. Es war beileibe nicht
nur Fett. »Gut«, sagte sie. »Kann man dir vertrauen? Ich kenne dich noch nicht
lange, deshalb frag ich dich das.«
    Â»Klar kann man mir vertrauen. Hast du etwa Angst, dass ich mich mit
der Kasse verpisse? Weil ich wie ein Schwerverbrecher aussehe?«
    Sie strich sich durch ihr feines, dunkles Haar, das sie heute offen
trug. »Musst nicht gleich eingeschnappt sein. Es geht um einen … Sonderauftrag.« Sie drückte ihm einen Schlüssel in die Hand. »Drüben im
Teegeschäft muss Ware von der Anlieferungsrampe ins Lager geräumt werden.
Eigentlich macht das immer Bob, aber der hat jetzt wegen seiner Prüfungen keine
Zeit. Du bist drüben ganz allein. Kriegst du das hin?«
    Pit verschränkte die Arme vor der Brust. »Langsam bin ich wirklich
beleidigt. Zuerst denkst du, ich wäre zu schwach, dann zu kriminell und nun zu
dumm. Warum hast du mich überhaupt eingestellt?«
    Diana antwortete nicht.
    Â»Ich war der einzige Bewerber, oder?«
    Â»Gehst du jetzt rüber oder nicht?«
    Er nahm ihr den Schlüssel aus der Hand. Morgen würde er zu spät
kommen, das konnte auch nicht schlimmer sein.
    Der Tea Shop lag ganz in der Nähe in der Trinity Street. Im Inneren
sah alles dunkel aus. Pit schloss den Haupteingang schnell auf und hinter sich
wieder zu. Schleppen war gut, Pit mochte Schleppen. Das trainierte die Muskeln.
Und er musste dabei keine Schürze tragen. Und trotzdem wäre er lieber drüben
bei Diana geblieben. Vielleicht sagte sie irgendwann auch mal was Nettes. Und
war nicht immer so grimmig und unnahbar.
    Das Licht ließ er ausgeschaltet, während er durch den Laden zur
Rampe ging. Die durch die Schaufenster hereinscheinende Straßenbeleuchtung war
hell genug. Der Laden war mit einem riesigen, umlaufenden Regal ausgestattet,
in dem unzählige grüne Metalldosen in der Größe von Kochtöpfen standen, die

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