Der letzte Aufguss
Tee
enthielten. Durchschnitten wurde der Raum von einer gläsernen Theke, auf der
Kannen und Tassen aufgebaut waren.
Das Ganze erinnerte an eine teure Boutique, und auch hier gab es
unordentliche Hinterzimmer. Die quadratischen Holzkisten und Plastiksäcke mit
Tee, die er von der Anlieferungsrampe räumen musste, waren nicht zu übersehen.
Als er sie in Augenschein nahm, bemerkte Pit, dass in viele hineingestochen
worden war, aber nur in solche mit grünem Tee. Und zwar, das sah er direkt, mit
einer unglaublich scharfen Klinge, jeweils auf verschiedenen Höhen. Merkwürdig.
Dadurch konnten doch Luft und Feuchtigkeit eindringen? Er beschloss, mit seinem
Handy ein paar Fotos zu schieÃen und sie später dem Professor zu zeigen.
Dann spuckte Pit in die Hände, griff sich die bereitstehende
Sackkarre und bugsierte die erste Fuhre ins Lager.
Nachdem er alles dorthin geschafft hatte, setzte er sich auf die
umgedrehte Sackkarre und trank einen Schluck Aquavit aus seinem Flachmann.
Plötzlich hörte er etwas.
Jemand öffnete die Tür. Diana konnte es nicht sein, denn ihren
Schlüssel hatte er ja.
Wer immer es war, er schaltete das Licht ebenfalls nicht an. Und
ging auf leisen Sohlen.
Pit zog sich die Schuhe aus und schlich in den Verkaufsraum.
Vorsichtshalber nahm er ein Brecheisen aus dem Lager mit.
Niemand zu sehen.
Dann erklangen wieder sachte Schritte. Diesmal aus dem Büro. »Verdammt«,
sagte eine Stimme. »Verdammt, verdammt, verdammt.«
Pit lugte in das Zimmer. Er sah den morgendlichen Eindringling nur
von hinten, doch es war zweifellos Kevin, der schweigsame Besitzer mit der
Löwenmähne. Gerade stand er vor einem kleinen Wandtresor und leerte den Inhalt
hektisch in eine mitgebrachte Plastiktüte von Marks & Spencer. »Nichts
werden sie finden, diese Schweine«, murmelte er. »Keinen einzigen Krümel!« Er
fegte mit der Hand den Boden des Tresors leer. »Jetzt rede ich schon mit mir
selbst wie ein Vollidiot!«
Pit überlegte, Kevin eins überzuziehen und dann nachzuschauen, was
er aus dem Tresor geholt hatte. Doch so erfrischend er ein wenig Gewalt dann
und wann fand â der Mann hatte keine Schläge verdient. Denn das waren sein
Geschäft und sein Tresor. Auch wenn es verdammt unüblich war, einen Tresor so
panisch auszuräumen.
Vielleicht wusste Diana etwas? Vielleicht sogar, was zu tun war? Er
musste schnell fort, bevor Kevin bemerkte, dass er ihn beobachtet hatte.
Pit schlich zurück, griff seine Schuhe und hörte bereits, wie Kevin
sich der Anlieferungsrampe näherte. Es gelang ihm, in den Verkaufsraum zu
schlüpfen, die Eingangstür leise zu öffnen und hindurchzuflutschen. Er lieà sie
einen Spalt offen und lief noch auf Socken die Trinity Street hinunter. Ohne
sich umzusehen. Sein Atem ging so schwer, dass er nicht mitbekommen hätte, wenn
die Tür zum Tea Shop aufgegangen wäre und Kevin ihn hätte davonrennen sehen.
Erst vor der Hauptpforte von Great St Maryʼs hielt er an, zog sich
seine Schuhe über die nun dreckig-feuchten Socken und ging schnell zu Auntieʼs
Tea House. Das Lokal war mittlerweile geöffnet, doch Kunden gab es noch keine.
Zwei Serviererinnen standen bereit, Bestellungen entgegenzunehmen.
Er fand Diana in der kleinen Küche.
»Ich muss dir was sagen, drüben im Tea Shop, der Besitzer â¦Â«
»Ja, was ist mit meinem Vater?«
»Wie bitte?«
»Kevin ist mein Vater. Also, was wolltest du sagen?«
Sie sah ihn erwartungsvoll an und mit einem Hauch Stolz auf ihren Erzeuger.
»Nichts.« Pit presste die Lippen aufeinander. »Ich wollte nur
fragen, wann er den Laden aufsperrt. DrauÃen stand nämlich schon ein Kunde.«
»Echt? Um die Uhrzeit? Als könnten sie ihren morgendlichen Teeschuss
nicht erwarten.« Diana lachte. »So, genug geschwätzt. Wisch bitte hinten noch
mal die Küche nass durch. Und zwar zackig.«
Pit stapfte an ihr vorbei. Morgen würde er kündigen. Egal, was der
Professor dazu sagte.
Der erste Student in Professor Bietigheims heutiger Sprechstunde war
ein bekanntes Gesicht: Michael Broadbent von der Port Wine Society.
Koteletten-Mike, wie Bietigheim beschlossen hatte, ihn zu nennen. Zumindest
wenn er mit sich selber sprach.
Koteletten-Mike war auÃer Atem.
»Wir haben ihn!«
Bietigheim musste nicht überlegen, wer gemeint war. »Wo steckt
Meister MusŠKokushi?«
»Joel Payne
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