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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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hat gerade angerufen und gesagt, dass er aus dem Tea
Shop in der Trinity Street gekommen ist, wo ihn der Besitzer nervös
verabschiedete, und jetzt die Kingʼs Parade Richtung Great St Maryʼs geht.
Jancis hat sich an ihn gehängt. Sie schickt mir eine SMS, wenn er abbiegt.«
    Â»Kokushi nähert sich also dem St Johnʼs. Wissen Sie, wo sich seine
Unterkunft befindet?«
    Broadbent schüttelte den Kopf. »Wir vermuten, außerhalb von
Cambridge, in London vielleicht.«
    Â»Dort hat er sicher viele Kontakte«, meinte Bietigheim. »Und haben
Sie schon irgendwas Offizielles zu seinem Aufenthalt hier gefunden?«
    Â»Nein, wenn man dem Internet glauben darf, ist er immer noch in Kyōto.«
Broadbents Handy spielte den Glockenschlag von Big Ben – der ursprünglich aus
Cambridge stammte. Er blickte auf das Display, dann zum Professor. Seine
Pupillen waren geweitet. »Eine SMS von Jancis. Kokushi hat das St Johnʼs
betreten. Sie kann ihm nicht mehr folgen, da sie ihren Studentenausweis nicht
dabeihat.«
    Â»Wenn er zu mir will, wird er nicht länger als fünf Minuten
benötigen. Frag Jancis, ob er sich beim Pförtner nach dem Weg zu einem Büro
erkundigt hat. Irgendwas muss er ja zu ihm gesagt haben, sonst hätte er ihn
nicht durchgelassen. Am heutigen Tag sind schließlich keine Touristen auf dem
Gelände erlaubt.«
    Michael tippte schneller, als Bietigheim sprach. Kurze Zeit später
hatte er die Antwort auf seinem Handydisplay. »Meister Kokushi hat einen
Termin, bei wem, wollte der Pförtner nicht verraten.«
    Bietigheim griff sich seinen Mantel, und der bis eben noch
schlafende Benno war sofort in Habachtstellung. »Zumindest nicht bei mir. Denn
dann wüsste ich davon. Halten Sie hier die Stellung. Falls er doch noch
auftaucht, überzeugen Sie ihn, auf mich zu warten. Ich gehe ihn suchen.«
    Der Student nickte und simste den Plan an Jancis.
    Â»Und ordnen Sie Ihre Krawatte«, fügte Bietigheim im Gehen hinzu, »das
sieht ja unmöglich aus!«
    Und schon war der Professor samt Benno die Treppen hinuntergelaufen.
Doch wohin dann? Bietigheim wählte den kürzesten Weg zu dem Trakt des Colleges,
der weitere Büros des Lehrpersonals enthielt. Er konnte nur hoffen, dass der
Teemeister sein Ziel noch nicht erreicht hatte, denn war er erst einmal hinter
einer Tür verschwunden, würde er ihn niemals finden.
    Das St Johnʼs College war über Jahrhunderte gewachsen, weshalb es
auch keine logische Aufteilung der Räume gab. Manches lag seit Jahrhunderten
eng beisammen, einige der dazugehörigen Büros befanden sich jedoch drei Gebäude
weiter. Diese unlogische Tradition wurde hier gelebt und geliebt.
    Noch während der Professor auf der Suche war, sah er ihn.
    Meister Kokushi auf dem Weg über die Seufzerbrücke in den New Court.
Zwar war er weit entfernt von Bietigheim, und es geziemte sich nicht für einen
Fellow des Colleges, laut zu rufen, aber mit eiligem Schritt würde er ihn
rechtzeitig einholen. Bietigheim gelang es, den Abstand zu verringern. Dabei
bestand jederzeit die Gefahr, dass der Teemeister um eine Ecke bog oder einen
Raum betrat, zu dem der Professor keinen Zugang hatte.
    So weit würde er es nicht kommen lassen!
    Während er die Brücke überquerte, fiel sein Blick kurz aufs Wasser
des Cam, wo der bösartige, einäugige Schwan gerade einer Ente mit dem Schnabel
auf den Kopf hackte. Und plötzlich hatte Bietigheim einen Geistesblitz die
Mordfälle betreffend – doch dessen Überprüfung musste bis später warten.
Kokushi ging vor!
    Â»Ach, Herr Professor, dass ich Sie hier treffe! Und Ihren Hund auch,
da muss ich gleich noch ein Foto schießen! Das ist ja wirklich ein Süßer. Und
hier ist das Licht auch viel besser als bei mir zu Hause.«
    Beatrice Pond.
    Â»Keine Zeit. Bitte gehen Sie mir aus dem Weg.«
    Â»Immer in Eile, die Herren Professoren, kenne ich doch. Aber für ein
Foto ist immer genug Zeit.«
    Meister Kokushi bog um eine Ecke.
    Und war nicht mehr zu sehen.
    Bietigheim eilte hinterher.
    Â»Im Laufen ist es sogar noch besser!«, rief Beatrice Pond, die ihm
eifrig folgte. »Wie schnell der Kleine rennen kann. Herrlich, diese elegante
Bewegung. Ja, guck mal her, du Süßer, guck zu Tante Beatrice!«
    Doch wo war jetzt plötzlich dieser verflixte Kokushi hin? Da! Gott
sei Dank. Jetzt sah er ihn wieder.
    Und jetzt sah er

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