Der letzte Aufguss
âºDekorationâ¹ der Leiche
nennen? Insbesondere ein Ersttäter versucht möglichst schnell den Tatort zu
verlassen. Er brüht sicherlich nicht in aller Ruhe teuren Tee auf.«
»Sie sind unglaublich«, meinte Michael lachend. »Wissen Sie das
eigentlich?«
»Das ist mir sehr wohl bewusst. Benno! Nicht an die Palme pinkeln,
es ist eine der gröÃten nicht im Freien wachsenden auf der ganzen Welt.« Der
Professor schüttelte den Kopf. »Na ja, wer kann es ihm verdenken. Solch ein
Baum ist allzu verlockend. Damit kann er vor den anderen Hamburger Hunden
schwer angeben. Und jetzt erzählen Sie bitte weiter, alles.«
Michael wartete kurz, bis eine fünfköpfige Familie vorbeigestürmt
war, die Kinder voran, die Eltern hinterher dackelnd.
»Sie wissen ja schon alles. Aber niemand sonst wird es mir glauben,
ich bin erledigt. Lassen Sie mich bitte gehen. Ich muss irgendwie ins Ausland
kommen.«
Bietigheim stand auf. »Sie haben recht, gehen Sie, am besten sofort.
Denn es wird nicht lange dauern, bis die Zeitungen über Ihre Flucht berichten.
Auch Ihre Port Wine Society wird erfahren, dass ein Doppelmörder einst ihr
stellvertretender Vorsitzender war. Ich weià nicht, wie sie es aufnehmen
werden, vor allem Jancis Robinson. Sie schien mir bereits auÃerordentlich
geschockt wegen Ihrer Flucht. Aber so etwas darf Sie jetzt natürlich nicht
stören, retten Sie Ihren Kopf, statt Ihre Weste reinzuwaschen.«
Der Professor hatte nicht wenig Vergnügen daran zu sehen, wie sich
die Linien in Michaels Gesicht verschoben, wie aus Enttäuschung und
Mutlosigkeit mit einem Mal Entschlossenheit wurde, und der Gedanke an Jancis
Robinson ein warmes Funkeln in seine Augen zauberte.
Der junge Student nickte, erst einmal, dann immer öfter und
schlieÃlich begann er wieder zu reden. »In der fraglichen Nacht fand ich den
Earl ermordet im Treppenhaus des Instituts. Ich hatte lange gearbeitet. Im
ersten Moment war ich geschockt und wollte sofort die Polizei verständigen.
Aber dann ⦠dann wurde mir klar, dass dies kein Ende war, das er sich gewünscht
hätte. Tot im Treppenhaus, das passte nicht zu ihm, das war seiner nicht
würdig. Er liebte den groÃen Auftritt und hatte einen groÃen Abgang verdient.
Einen, der ihn noch ein letztes Mal in die Medien bringen würde.«
»Wenn ich mich recht erinnere«, erwiderte Bietigheim, »stand die
Port Wine Society vor dem ersten Mord kurz vor der Auflösung. Ohne die Society
hätten Sie die bezaubernde Jancis nicht mehr regelmäÃig gesehen. Also erzählen
Sie mir nicht, es wäre kein Eigennutz dabei gewesen.«
Michael wandte den Blick ab. »Es haben verschiedene Ãberlegungen
eine Rolle gespielt.«
»Das lasse ich mal so stehen. Fahren Sie fort.«
Michael stand auf und ging vorsichtig an der Teepflanze vorbei, um
seinen Schlafsack zusammenzurollen. »Den Tee hatte ich schon Wochen vorher
gekauft, einfach weil ich ihn mal ausprobieren wollte, ich hatte ihn in meinem
Rucksack, um abends im Institut eine Tasse davon zu trinken. Nachdem ich meinen
Plan gefasst hatte, hieà es warten, bis niemand mehr unterwegs war. Zuerst
verschaffte ich mir Zugang zur Wasserleitung â wissen Sie, ich habe früher in
der vorlesungsfreien Zeit als Punter gearbeitet und kenne mich daher aus. Dann
habe ich das Wasser in den Stechkahn gelassen. Den Tee habe ich mit heiÃem
Wasser aufgesetzt, damit sich Aromastoffe und Farbe lösten, und habe ihn später
zum kalten Wasser dazugegeben. Mit einer Schubkarre habe ich den Earl zum Ufer
gebracht. Es ging alles ganz schnell. Ich habe einfach nicht nachgedacht, was
passiert, wenn man mich sieht. Ich war so voller Adrenalin. Es war saublöd von
mir.«
»Und der zweite Mord?«
»Damit habe ich nichts zu tun! Das ist ein Nachahmungstäter! Sie
haben ja selbst gesehen, wie schlecht der Tee zubereitet war.« Michael atmete
tief durch und fügte dann leise hinzu: »Können Sie das alles bitte auch Jancis
erzählen?«
»Das sollten Sie lieber selber machen. AuÃer uns, dem Nightclimber
und Ihrer Society weià bisher niemand von Ihrer Beteiligung am Mord. Und
zurzeit sehe ich keinen Grund, das zu ändern. In meinem Taxi ist noch ein Platz
für Sie frei.«
Pit tippte ihm auf die Schulter. »Ist mein Taxi plötzlich in Ihren
Besitz übergegangen? Hab ich gar nicht gemerkt. Aber du kannst natürlich
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