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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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von haltlosen
Vorwürfen eines Quartalsirren wie Töler beeindrucken ließ – noch dazu, wo
dieser dem Trinity College angehörte. Diesem großmannssüchtigen Verein! Es
hieß, Trinity sei so reich, dass man es von Cambridge bis Oxford schaffte,
indem man ausschließlich über Trinity-Land lief.
    Schnellen Schrittes hatte Bietigheim den Trakt mit den
Universitätsbüros verlassen, als er plötzlich Tölers Stimme genau neben sich
hörte.
    Â Â»Sie werden sehen: Mehr wird
nicht nötig sein, um den fabelhaften Professor Bietigheim zu stürzen. Ich
musste nur den ersten Dominostein umwerfen, indem ich eine Idee in die Welt
setzte. Die Idee, dass Sie Teilschuldiger eines Selbstmordes sind. Ideen sind
schwer zu töten, gerade in Zeiten des Internets. Sie verbreiten sich und werden
nie mehr vergessen. Sie können immerhin sagen, dass Sie dabei waren, als der
erste Stein fiel, der dazu führte, dass Ihre Reputation zerstört wurde und Sie
Ihre Anstellung in Cambridge schmachvoll verloren. Ich wünsche einen schönen
Tag – viele werden Sie davon sicher nicht mehr haben – zumindest nicht in
Cambridge.«
    Töler rannte davon, wohl wissend, dass ihn ansonsten ein Tritt in
den Hintern erwartet hätte. Es wäre der erste Tritt in den Allerwertesten
gewesen, den Bietigheim jemals ausgeteilt hatte.
    Â»Nitrophenolthiophosphorsäureester«, sagte er zu Benno, besann sich
dann aber auf das korrekte Kommando: »Fass!« Woraufhin dieser sich auf den
Rücken warf und alle Viere von sich streckte.
    Töler war nicht mehr zu sehen.
    Pit hatte sich mittlerweile an seine Rolle als Assistent gewöhnt. Er
war der Watson für die rudimentären Recherchen. Wenn es um Fleisch, Penner oder
alte Männer ging, das hatte er bei den französischen Käsemorden gelernt,
übergab der Professor nur allzu gern Aufgaben an ihn.
    Doch das störte Pit überhaupt nicht.
    Für ihn war das Ganze nichts anderes als ein Abenteuerurlaub. Selbst
Bietigheims Launen gehörten zum All-inclusive-Paket. Wo sonst begegnete man
einem solchen Exemplar in freier Wildbahn? Und so nah? Manche Menschen hielten
Pit für einen Sonderling, einen Außenseiter – aber gegenüber Professor Dr. Dr. Adalbert
Bietigheim kam er sich unglaublich normal vor. Das war zur Abwechslung sehr
erholsam.
    Nun also wieder ein Auftrag in Sachen Fleisch. Und zum ersten Mal
ging es um Fleisch, das er noch nie gegessen hatte.
    Pit hatte sich dafür ein Punting-Boot gemietet. Wie er schmunzelnd
feststellte, konnten gegen Aufpreis auch die Schaluppen gemietet werden, in
denen die Professoren gefunden worden waren. Humor englischer Provenienz.
Schwärzer ging es nicht mehr.
    Bei der Fahrt mit Kokushi hatte er gelernt, dass man auf dem
hinteren, flachen Ende des Boots stand, doch Pit entschied, sich diesmal lieber
hinzusetzen. Das machte das Abstoßen des Stocks am Flussgrund zwar viel
anstrengender, aber man fiel nicht so leicht ins Wasser. Und cool sah es auch
noch aus.
    Nach kurzer Zeit näherte er sich der fraglichen Stelle. Der
Professor hatte ihre Lage exakt beschrieben. Auf Wasserhöhe befand sich in der
gemauerten Gebäuderückwand ein halbrundes Loch von etwa einem Meter Höhe.
    Pit näherte sich mit dem Boot, holte die Taschenlampe aus seiner
Jacke und leuchtete hinein. Es war alles genau so, wie der Professor es ihm
erklärt hatte. Das würde ihn freuen. Dies war das Schwanenloch des St Johnʼs
College. Und die alte Falle war voll einsatzbereit.
    Er schoss ein paar Fotos mit seinem Handy und blickte dann auf die
Uhr. Er musste sich beeilen, sonst würde im Auntieʼs zu viel Betrieb sein. Sein
zweiter Auftrag lautete nämlich: das Vertrauen von Diana gewinnen. Dieses
undankbaren Miststücks. Lieber wäre er noch länger auf dem Granta
herumgestochert. Selbst wenn Piranhas im Wasser gelebt hätten. Und Krokodile.
Sowie ein übel gelaunter Weißer Hai. Eine Viertelstunde später betrat er Auntieʼs
Tea House. Es war nicht viel los, die wenigen Gäste saßen im Freien. Diana
stand hinter der Kasse und rechnete gerade einen Tisch ab. Als er eintrat,
blickte sie kurz auf. »Was willst du hier? Du hast doch gar keinen Dienst!«
    Wie konnte eine Frau, die er so mochte, sich nur so abschätzig
verhalten? »Quatschen.«
    Â»Dafür hab ich keine Zeit, du siehst ja, was los ist.«
    Â»So gut wie nix ist los. Deshalb

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