Der letzte Aufguss
eine
Presseerklärung vorbereitet, die wir schnellstmöglich an die Medien weitergeben
sollten. Ich darf sie Ihnen kurz vorlesen: Herr Professor
Bietigheim hat gestern spätabends zufällig einen Hinweis entdeckt, der Steven
Spurrier mit den Morden in Zusammenhang bringt, und den Studenten darauf
angesprochen. Der Hinweis sollte noch am Morgen der Polizei mitgeteilt werden,
doch zu diesem Zeitpunkt hatte Spurrier seinem Leben bereits ein Ende gesetzt.
Der Professor ist tief erschüttert und steht für Interviews nicht zur
Verfügung, auch weil der Universitätsbetrieb aufrechterhalten werden muss. Das sollte uns aus dem Kreuzfeuer nehmen.«
»Mhm â¦Â« Der Master wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und
lieà sich selbst in den Chefsessel fallen. Sein Gesicht wirkte grauer als
sonst, seine Züge steinern. »Sind Sie sich da wirklich sicher? Sie sind eben so
rasch hereingestürmt, dass ich Ihnen nicht mitteilen konnte, dass ich heute
bereits ein Gespräch in dieser Angelegenheit hatte. Sie kennen Professor Töler
ja schon.« Er blickte in die Ecke hinter Bietigheim. Dort stand die
fleischgewordene Unfähigkeit, der Mann mit MinzsoÃe statt Hirnmasse im Kopf.
Und dieser wandte sich nun direkt an Stuart.
»Es verhält sich genau so, wie ich es Ihnen gesagt habe: Bietigheim
ist nur auf seinen eigenen Kopf bedacht, der Ruf der Universität und der Ihres
Colleges sind ihm völlig egal. Die Hamburger Kollegen waren froh, dass sie
einen Mann, der mehr an Kriminalfällen als an der Wissenschaft interessiert
ist, für einige Zeit hier abladen konnten.«
»Also, das ist ja eine bodenlose Frech â¦Â«
Töler fiel ihm ins Wort. »Es gibt Gerüchte, ich betone ausdrücklich:
es sind Gerüchte, doch diese besagen, dass Bietigheims berühmte
wissenschaftliche Arbeiten â darunter âºÃber die Genese der Bratwurstâ¹, âºDie
Verarbeitung von SchweinefüÃen im interkulturellen Vergleichâ¹ und natürlich âºPasta
und Politik â Wie Hartweizengries das italienische Parlament veränderteâ¹ â
gar nicht von ihm, sondern von seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern
geschrieben wurden. Kein Wunder, dass er gern Personal einstellt, was sich ja
auch hier in Cambridge zeigt. Obwohl er erst wenige Tage im Amt ist, hat er
bereits jemanden angeworben: Colin Inniskeen. Einen ehemaligen Kulinaristen,
der nun, ich traue mich kaum, es auszusprechen, als Fahrradmechaniker arbeitet.
Solch einen unqualifizierten Mann lässt er auf die Studenten der groÃartigsten
Universität des Landes, wenn nicht der Welt, los!«
»Colin Inniskeen ist ein herausragen â¦Â« Doch wieder kam Bietigheim
nicht zu Wort.
»Wenn man nur darauf bedacht ist, seine ehrenvolle Arbeit auf andere
abzuschieben, passiert natürlich so etwas wie mit Michael Broadbent. Man stöÃt
zwar auf den entscheidenden Hinweis, hat aber keinen persönlichen Zugang zu
seinem Studenten etabliert, weshalb es einem auch nicht gelingt, ihn vom
Selbstmord abzubringen. Dieser Tote, und ich denke, da sind wir uns alle einig,
geht auch auf Bietigheims Konto. Hätte er seine Aufgabe ernst genommen, würde
der junge Broadbent heute noch leben.«
»Sie Verleumder! Wie können Sie es wagen, so etwas â¦Â«
Diesmal war es der Master, der ihn unterbrach. »Professor
Bietigheim, es ist stets wichtig, auch andere Sichtweisen zu hören. Nicht nur
in der Wissenschaft. Und ich bin Herrn Professor Töler äuÃerst dankbar, dass er
zu mir gekommen ist, um darzulegen, wie ein GroÃteil der Universität Ihre Rolle
einschätzt. Ich muss Sie darüber informieren, dass ein Amtsenthebungsverfahren
gegen Sie angestrengt wird. Wir, ich ganz besonders, hatten gehofft, dass
endlich Gras über diese unheilvolle Mordserie wächst, doch Sie haben alles
wieder aufgewühlt, was nun zu einem weiteren Toten geführt hat. Ich bin
persönlich enttäuscht von Ihnen und möchte Sie bitten, umgehend mein Büro zu
verlassen. Die von Ihnen verfasste Mitteilung an die Medien werde ich
herausgeben, auch weil es im Interesse unseres Colleges ist. Das ist alles.
Meine Herren.«
Und damit ging er zur Tür und öffnete diese weit.
Bietigheim beschloss wiederzukommen, wenn sich der erste Sturm
gelegt hatte, und alles zu erklären. Stuart würde es verstehen, er war
schlieÃlich ein kluger und besonnener Mann, der sich nicht
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