Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
Vom Netzwerk:
»Das Gerät
sieht zumindest … gefährlich aus.«
    Doch Conspirator war keineswegs der Name des Geräts, sondern der
Band, deren Musik aus dem Ghettoblaster dröhnte, nachdem Pit ihn eingestöpselt
und direkt hinter die Haustür gestellt hatte. Death Metal, eine extrem laute
und extrem bösartige Spielart der Metalmusik, bei welcher der Gesang als
Grunzbrüllen bekannt war. Die Hamburger Band schaffte es mit nur wenigen
Takten, dass sich niemand mehr direkt an der Tür aufhielt. Auch das Klopfen
hörte auf. Ob Conspirator allerdings besser war, darüber gingen die Meinungen
im Haus auseinander. Sehr weit auseinander.
    Â»Das ist keine Lösung!«, rief Bietigheim. »Dieser Krach könnte sogar
zum Pflanzensterben im Vorgarten führen.«
    Â»Quatsch, die Jungs können das. Vor allem der Sänger hatʼs drauf.
Der ist echt ein Tier.«
    Bietigheim griff zum Telefon. »Ihre Lösung ist immer Gewalt, selbst
wenn es musikalische ist. Ihre Waffe ist die Keule, meine das Florett.« Er nahm
das Telefon an der Schnur mit in die Küche und schloss die Tür hinter sich.
    Fünf Minuten später kam er wieder heraus.
    Â»Haben Sie die Polizei angerufen?«, fragte Pit.
    Â»Ich bitte Sie! Wenn die Vertreter der Staatsmacht hier auftauchen,
werden sie sofort erkennen, wer das unerlaubte Foto geschossen hat. Nämlich
Sie! Deshalb habe ich mir diese Telefonkosten gespart. Mein Anruf galt einem
einzelnen Herrn. Bis mein Plan in die Tat umgesetzt wird – was etwas dauern kann –, werden wir das tun, was jeder gute Brite im Moment größter Sorge und Not
tut: eine Tasse Tee trinken. Wenn ich bitten darf, Meister. Lassen Sie uns
Matcha-Tee trinken – bis zur sechsten Schale.«
    Â»Aber vorher«, schlug Kokushi vor, »stecken wir uns irgendwas in die
Ohren. Haben Sie vielleicht Teebeutel dafür?« Pit hatte sogar ein paar Sets
Ohrstöpsel. Allerdings gebrauchte. Bietigheim kochte sie vorsorglich ab, bevor
er sie sich in die Gehörgänge drückte.
    Dann war der Matcha-Tee auch schon fertig.
    Die erste Schale benetzte ihre Lippen und Kehlen, die zweite
verscheuchte ihre Einsamkeit, die dritte durchdrang ihr unfruchtbares Inneres,
die vierte Schale erregte einen leichten Schweißausbruch, bei der fünften
Schale waren sie geläutert, die sechste rief sie ins Reich des …
    Bietigheim stand auf. Warum hatte er nicht vorher daran gedacht! Die
sechste Schale wurde doch im »Gedicht der sieben Schalen Tee« des chinesischen
Dichters Lu Tʼung erwähnt. Da Jonathan Cleesewood so ein Theater darum gemacht
hatte, war das entsprechende Buch bestimmt in seinem Besitz gewesen. Vielleicht
gab es darin ja Hinweise auf seine geheime Forschung. Randnotizen. Zeichnungen.
Zahlen.
    Bietigheim fing an zu suchen, und nachdem er den anderen beiden
brüllend erklärt hatte, wonach er Ausschau hielt, gingen sie zu dritt jeden
Band durch – im Erdgeschoss, in der ersten Etage und schließlich auch auf dem
Speicher.
    Der Geräuschpegel außerhalb des Hauses nahm peu à peu ab, doch die
Gegenwart der kampierenden Meute war körperlich spürbar. Conspirator und
Ohrstöpsel waren aber fürs Erste nicht mehr nötig.
    Schließlich hatten sie alles durchsucht.
    Â»Nicht da«, sagte Pit, als er das letzte Kochbuch zurück ins
Küchenregal stellte.
    Â»Auch ich habe es nicht gefunden«, kam es von Kokushi aus dem
Schlafzimmer.
    Â»Es muss aber hier sein«, beharrte der Professor. »Vielleicht ist es
eine Originalausgabe. Pit, hatten Sie Bücher mit chinesischen Schriftzeichen?«
    Pit antwortete nicht.
    Â»Hatten Sie Bücher …«, begann Bietigheim, um sich dann selbst zu
unterbrechen: »Sie hatten, nicht wahr? Und da Sie nicht wissen, wie die Zeichen
für Lu Tʼung aussehen, haben Sie die Bücher wieder zurückgestellt. Nicht wahr?«
    Â»Ich glaube, wir müssen die Conspirator-CD noch mal anstellen, die
fangen sonst wieder an zu klopfen.« Pit verschwand in Richtung Haustür. Doch
die Death-Metal-Band erklang diesmal nur in Zimmerlautstärke. Pit quartierte
sich mit der Zeitung auf dem Klo ein.
    Der Professor und Kokushi gingen abermals alle Bücher durch.
Plötzlich begann Bietigheim, eine Arie aus Mozarts »Hochzeit des Figaro« zu
pfeifen. Benno kam und lief bellend um ihn herum.
    Â»Ich ha-be es ge-fun-den!«
    Bietigheim hatte erwartet, dass das Buch an

Weitere Kostenlose Bücher