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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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musste. »Jonathan
Cleesewood hat diesen Pu-Erh-Tee gefunden. Nein, das ist so nicht ganz korrekt,
er hat ihn gesucht, denn er hatte in irgendwelchen Schriften über genau diesen
Tee gelesen – und seine Fähigkeiten als Aphrodisiakum. Auf offiziellem Weg war
da nicht heranzukommen, doch mit den richtigen Kontakten, über inoffizielle
Kanäle, mit ausreichend finanziellen Mitteln sehr wohl. Vermutlich ist dieser
Pu-Erh-Tee vor Ort gestohlen worden, wobei ich nicht weiß, von wem, wo und
wann. Und ich will es auch gar nicht so genau wissen. Wir haben darauf gehofft,
den als Aphrodisiakum wirkenden Stoff isolieren zu können. Wenn er
reproduzierbar wäre – stellen Sie sich den Markt vor! Weltweit! Es gab eine
Zusammenarbeit mit Chemikern und Biologen, die alle nur ausgewählte
Informationen bekamen. Niemand außer Jonathan und mir kannte die ganze
Geschichte. Leider stellte sich heraus, dass das Aphrodisiakum keine
Einzelkomponente war, sondern das Zusammenspiel vieler, wenn nicht gar aller
Inhaltsstoffe dieses Tees. Sie können sich vorstellen, was dies bedeutete: eine
wirtschaftliche Sackgasse. Zumindest mit den heutigen Mitteln der Technik. Also
wurde entschieden, den Tee schockzufrosten, um ihn später mit anderen Mitteln
abermals zu untersuchen und dann die Forschung zu einem erfolgreichen Abschluss
zu führen. Jetzt muss ich aber wirklich wieder hinaus, sonst wäre es
erschreckend unhöflich.«
    Doch Bietigheim dachte gar nicht daran, den Master gehen zu lassen.
    Â»War Kokushi wegen des Pu-Erh-Tees bei Ihnen? Ich habe Sie in der
Sauna belauscht. Sie haben mit der Countess darüber gesprochen, dass es um viel
Geld gehe. Wollte er Ihnen den Pu-Erh-Tee abkaufen, oder hat er ihn gar
verlangt, ohne etwas zahlen zu wollen?«
    Der Master blickte wieder hinaus in den Garten. »Nein, er weiß
nichts davon, es ging um etwas anderes.«
    Â»Worum denn?«
    Â Â»Er wollte sämtliche
Teebestände der Universität aufkaufen. Geradezu insistiert hat er und nicht nur
Geld sondern auch Gastvorlesungen angeboten. Ich habe selbstverständlich
abgelehnt. Was einmal im Besitz des St Johnʼs ist wird nicht mehr veräußert!«
    Â»Ãœber wen haben Sie den Tee bezogen?«, fragte Bietigheim, obwohl er
sich die Antwort schon denken konnte.
    Â»Selbstverständlich über Kevin Shields , wir unterstützen seit jeher
lokale Händler.« Er streckte ihm die Hand hin. »Und nun müssen Sie mich
wirklich entschuldigen.«
    Obwohl die Wut immer noch in ihm brodelte wie eine glühend heiße
Polenta, schüttelte Bietigheim die ihm hingestreckte Hand.
    Denn so verhielt sich ein Gentleman.
    Gemeinsam gingen sie zurück zum Gartenpavillon. Auf einmal entdeckte
der Professor Benno. Der hatte den Pu-Erh-Fladen zwar nicht lange im Maul
gehabt – aber doch lange genug. Wie er es geschafft hatte, auf das Dach der
Pagode zu kommen, sollte Bietigheim auf ewig ein Rätsel bleiben. Fest stand
jedoch: Nie zuvor war der Meerjungfrauenstatue auf der Spitze des Dachs ein
Foxterrier so nahe gekommen.
    Auch Bietigheims zweiter Begleiter war wieder aufgetaucht. Zum
ersten (und vermutlich auch zum letzten) Mal in ihrem Leben fand die Countess
von Shropsborough einen hünenhaften, glatzköpfigen Mann mit Rauschebart
attraktiv und wollte diesen unbedingt küssen – auf jede erreichbare Stelle.
Normalerweise hätte sich dieser das auch gefallen lassen und mit Freude mehr
freie Stellen zur Verfügung gestellt, doch Pits Herz wurde immer noch von einer
lächelnden Vegetarierin beherrscht.
    Deshalb ließ er die Gelegenheit verstreichen. Zum ersten Mal in
seinem Leben. Und das für eine Frau, die keine Steaks aß. Wie sollte er das
seinen Kumpels zu Hause in Björnʼs Curryhölle nur erklären?
    Sie saßen gerade wieder im Auto, als Pits Handyklingelton ertönte:
Alice Coopers »Poison«, und zwar in einer Lautstärke, die niemand dem kleinen
Handy zugetraut hätte und die einige der Nobelpreisträger in Grantchester aus
ihrem wohlverdienten Nickerchen weckte. Vielleicht fiel einem durch die
Schallwellen gar ein Apfel auf den Kopf und er kam auf diese Weise zu einer
kleinen Beule und einer weltbewegenden Eingebung.
    Am anderen Ende der Leitung war Rena. Sie war aufgeregt. Geradezu
hysterisch. Ja, sie lachte sogar ein wenig irre.
    Pit beendete die Verbindung, noch bevor sie etwas sagen konnte,
startete den Motor und fuhr mit

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