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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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quietschenden Reifen los, was ihm immer ein
besonderes Vergnügen bereitete.
    Auch der Professor hatte das Lachen gehört.
    Er wusste, was es bedeutete.
    Rena hatte das Passwort geknackt.
    Der Generator des Bootes brummte, als Pit den Wagen wenig später am
Ufer des Cam zum Stehen brachte, um den Professor aussteigen zu lassen. Dann
fuhr er weiter, um einen Parkplatz für Alfons zu finden.
    Eilig ging Bietigheim in Richtung Deck, wo sich Rena hingelegt
hatte. Man konnte es mittlerweile zwar nicht mehr wirklich Sonnenstrahlen
nennen, was vom Himmel kam, aber immerhin war es kein Regen.
    Rena blickte auf. »Tippen Sie! Raten Sie!«
    Â»Was meinen Sie? Den Sinn des Lebens? Ihre Abschlussnote? Warum Sie
niemals Muskatnuss an Kartoffelpüree geben?«
    Â»Das Passwort.«
    Â»Es ist mir völlig egal, mir geht es um den Inhalt der Datei. Und
ziehen Sie sich doch ordentlich an, was sollen denn die Nachbarn denken und die
Spaziergänger, vielleicht kommt es wegen abgelenkter Kapitäne sogar zu
Schiffsunglücken.«
    Rena blickte an sich herab. »Ich sitze hier doch in Top und Hot
Pants. Ganz normal.«
    Â»Ja, aber Ihre Beine.«
    Â»Davon habe ich zwei. Die weltweit korrekte Anzahl. Männer sind
heutzutage daran gewöhnt, so etwas zu sehen. In allen Formen und Längen. Wollen
Sie jetzt das Passwort wissen?«
    Â»Sie geben ja sonst keine Ruhe.«
    Rena legte sich wieder hin und streckte ihre Beine in den Himmel. »Nee,
jetzt will ich es Ihnen nicht mehr sagen. Wer meine Beine verkehrsgefährdend
nennt, hat es nicht anders verdient. Das Passwort steht auf dem Zettel neben
meinem Notebook. Und einen guten Rat gebe ich Ihnen: gehen Sie unbedingt
schnell durchs Boot. Bleiben Sie keine Sekunde stehen.«
    Â»Was? Wieso?«
    Â»Tun Sie es einfach. Und jetzt verwirre ich wieder die Schiffer.
Meinen Sie, das funktioniert vielleicht noch besser, wenn ich singe und mein
Haar herunterlasse?« Rena stimmte mit einem klaren Sopran an: »Ich weiß nicht,
was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin. Ein Märchen aus alten Zeiten,
das kommt mir nicht aus dem Sinn.«
    Bietigheim verschwand unter Deck. Er hatte keineswegs vor, besonders
schnell zu gehen. Vermutlich würde Rena durch eine der Luken hereinschauen und
sich köstlich amüsieren, wenn er versuchte, eilig durch das enge Boot zu
gelangen. Diesen Gefallen würde er ihr nicht tun!
    Sobald er ins düstere Bootsinnere trat, fiel ihm auf, dass sich
einiges verändert hatte. Die Toilettentür stand offen, es war neues Klopapier
da, und Charles, der Schwan, war nirgendwo zu sehen. Pits Schlafnische, die
sich als zu klein herausgestellt hatte, war dagegen mit einigen Brettern
verbarrikadiert worden. Als der Professor nähertrat, begriff er auch, warum. Es
war Charlesʼ neues Quartier. Der stattliche Schwan würde niemals zwischen den
Brettern hindurchpassen – egal, wie wütend er nun auch fauchte. Gelassenen
Schrittes ging der Professor an ihm vorbei.
    Zumindest so weit, wie er kam.
    Denn der Abstand zwischen den Brettern war zwar so schmal, dass
Charles nicht komplett hindurchpasste, sein Kopf mit dem harten Schnabel jedoch
problemlos. Mit diesem erwischte er zunächst Bietigheims Mantel, dann den
obersten Knopf seiner Weste und schließlich seine Nase.
    Es sah komisch aus, aber es war enorm schmerzhaft.
    Bietigheim gelang es schließlich, sich aus Charlesʼ Gewalt zu
befreien. Er eilte davon und freute sich von nun an richtig darauf, dem
biestigen Schwan den Hals umzudrehen und ihn auf kleiner Flamme zu rösten.
    Renas Notebook befand sich im Bug des Schiffes, wo ein kleiner
Schreibtisch eingeschreinert war. Auf dem Zettel neben dem Notebook stand keine
Zahlenkombination, kein Buchstabengewirr, sondern ein Name.
    Er gehörte einer Frau.
    Julia Wenbosca.
    Man wählte den Namen eines Passwortes nicht leichtfertig, vor allem
nicht, wenn er eine derart bedeutende Datei schützte. Nein, man wählte einen
Namen, der einem wichtig war, der einen bei jedem Eintippen erfreute. Dass
Jonathan Cleesewood diesen Namen gewählt hatte, konnte nur eines bedeuten: Er
hatte mehr Gefühle für die Dame, als Geschäftspartnern normalerweise entgegengebracht
wurden.
    In Bietigheims Kopf sprossen die Gedanken wie Unkraut in einem
verwilderten Garten. Und bevor er sich die Daten auf dem USB-Stick anschaute,
musste er diese Gedanken mit jemandem teilen. Doch nicht einmal Benno weilte in
der

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