Der letzte Aufguss
lag er bereits ein gutes Stück zurück. Verdammt! Es half
nur eins: Er musste zu gröÃeren, gewagteren Sprüngen ansetzen. Was er dann auch
tat.
Seine Verfolger ebenso.
Kurze Zeit später hörte er es zweimal hinter sich plumpsen. Und
fluchen. Doch näher kam er Kokushi nicht â ganz im Gegensatz zu Benno, der sich
schon darauf freute, gleich in die Hose seiner Beute zu beiÃen!
Der Teemeister musste die Gefahr gespürt haben, denn er begann nun
Haken zu schlagen.
Das Ziel in Form der Seufzerbrücke kam in Sicht.
Diese â das war Bietigheim sofort klar â wäre die perfekte
Fluchtmöglichkeit für Kokushi. Käme er dort hinauf, wäre er fort. Der
Teemeister wagte einen Sprung, der noch gewaltiger war als jener auf die
Mathematical Bridge.
Und er gelang.
Doch diesmal bekam der Japaner Probleme. Denn durch die glaslosen
Sprossenfenster der Seufzerbrücke passte er nicht hindurch. Das rechte Ufer
bestand nur aus Mauerwerk, sodass einzig der Weg nach links blieb, wo ein
prächtiger Baum seine Ãste über den Fluss streckte. Dorthin kletterte er nun.
Der Professor witterte sofort seine Chance und sprang über die
Stechkähne zum Ufer, was ihm viel schneller gelang als dem kletternden Kokushi.
Sobald er festen Boden unter den FüÃen spürte, sprintete er zum Baum.
Als der Teemeister endlich das Ufer erreichte, war Bietigheim nur
noch wenige Meter entfernt. Er breitete die Arme und Beine aus und stürzte sich
von hinten auf den Teemeister. Der neben ihm herlaufende Benno nahm sich ein
Beispiel an seinem Herrchen, sprang ebenfalls â und landete sicher auf
Bietigheims Rücken. Es war die reinste Zirkusnummer.
»Lassen Sie mich in Ruhe!«, zeterte Kokushi. »Ich weià es nicht!
Hören Sie? Ich! WeiÃ! Es! Nicht! Glauben Sie, ich wäre noch hier, wenn ich
wüsste, wo es steckt?« Dann drehte er den Kopf, um seinem Angreifer in die
Augen zu sehen. »Professor?«
»Ja, genau der!«
»Was machen Sie auf mir?« Der Teemeister blickte sich nervös um,
richtete sich auf, und musterte mit panischer Angst in seinen Augen die
Gesichter der Zuschauer.
»Ich wollte Sie einladen«, sagte Bietigheim.
»Sie wollten ⦠was ?«
»Zu einem Pub-Quiz. Und wenn ich Ihnen sage, was der Gewinn ist,
werden Sie es sich sicher nicht entgehen lassen.«
»Ein Pub-Quiz? Was gibt es denn um alles in der Welt zu gewinnen?«
Bietigheim grinste. »Die geheimen Forschungsergebnisse von Jonathan
Cleesewood und einen sehr alten Pu-Erh-Tee. Das Thema des Quizʼ ist übrigens
ein naheliegendes: Mord und Totschlag. Wir haben Experten eingeladen.«
KAPITEL
10
Der letzte Aufguss
Was weder der Professor, noch Kokushi oder Benno mitbekommen hatten:
Der Teemeister hatte das Rennen gewonnen. Inoffiziell natürlich, da er keine
Startnummer besaÃ, gefeiert wurde er trotzdem, auf den Schultern getragen, mit
Alkoholika übergossen.
Kokushi blickte sich unentwegt um und schien nach jemandem Ausschau
zu halten. In der Masse fanden sich viele Augen, Münder und Nasen â doch nur
eine sah aus wie mit Knetgummi modelliert. Plötzlich war Kokushi wie vom Erdboden
verschluckt.
Bietigheim nahm Benno auf den Arm und setzte eine griesgrämige Miene
auf. Dann drängte er sich durch die Gaffer und machte sich auf den Rückweg zum
Restaurant.
Das Midsummer House hatte bereits geschlossen, die Gäste schienen
sämtlich gegangen zu sein. Bietigheim klopfte gegen die Tür, die ihm gleich
geöffnet wurde. Von Sternekoch Clifford höchstpersönlich. Dieser streckte ihm
die Hand entgegen. »Ich darf Ihnen gratulieren.«
»Wieso?«
Clifford lächelte geheimnisvoll. »Treten Sie erst mal ein.«
Die Tische im Speiseraum waren bereits für das Abendessen
eingedeckt, ein Kellner saugte gerade den Teppichboden, ein anderer überprüfte
die Blumenarrangements. Clifford ging vor in die Küche. An Bietigheims
Kochstelle stand ein Karton, in dem die nicht benötigten Zutaten seiner
Gerichte ordentlich verstaut waren.
»Darf ich davon ausgehen, dass es für die Gäste nicht allzu
enttäuschend war, nur einen Nachtisch serviert zu bekommen? Der von Ihnen
zubereitete war fraglos köstlich«, vergewisserte sich der Professor.
Clifford legte den Arm um Bietigheim. »Dürfen Sie nicht. Ihr Dessert
ging auch raus. Ich hatte zwar keine Ahnung, wo Sie plötzlich so
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