Der letzte Aufstand
eine Sekunde lang. Dann brausten sie davon.
„Du dämlicher Bulle!“ Philippe schlug Guillaume mit der freien Hand ins Gesicht, was dieser aber mit vorgehaltenen Armen abblocken konnte.
„Ihr entkommt uns nie und nimmer! Du bist ein wichtiger Mann, Philippe. Wir haben ein Grossaufgebot für dich mobilisiert. Der Hubschrauber ist euch von oben an den Fersen, der Mikrochip, den wir vor jeder Mission schlucken müssen, sagt meinen Kollegen auf den Meter genau, wo ihr mich hinbringt, und unser ganzes Gespräch ist auf Band aufgenommen. Für diesen Betrug wirst du mindestens sieben Jahre kriegen. Und deine Frau mindestens fünf. Gib auf, dann hast du wenigstens mildernde Umstände!“
„Du hast ja keine Ahnung, Bulle!
Fünf Minuten später fuhren sie bereits ins hügelige Hinterland von Nizza. Mireille liess den Wagen im zweiten Gang die Landstrasse hinauf heulen. Sie überholte zwei Sonntagsfahrer in halsbrecherischen Stunts und wich in letzter Sekunde einer Frontalkollision mit einem entgegen kommenden Fahrzeug aus. Guillaume hatte derweil den Lauf der geladenen Pistole konstant im Gesicht, während Philippe seine Unterlippe blutig biss. Ganz so cool und gelassen nahm er es doch nicht. Die Aussicht auf mehrere Jahre Knast wollte ihm scheinbar nicht gefallen. Er blickte immer wieder aus dem Fenster, suchte den Hubschrauber, den Guillaume erwähnt hatte.
Gut so, dachte Guillaume. Er wusste genau, was seine Kollegen jetzt gerade taten. Dort herrschte jetzt reines Chaos. Einen Hubschrauber gab es nämlich nicht, nicht für Einsätze dieser Art. Und die Sonde hatte er zwar vorschriftsmässig geschluckt, aber Guillaume wusste genau, dass die Tracking-Apparate alles andere als zuverlässig funktionierten. Das Equipment war veraltet und hätte ein Upgrade bitter nötig gehabt, aber dafür fehlten der Abteilung die Finanzen.
„Wo wollt ihr hin? Das hat doch keinen Zweck!“, sagte Guillaume.
Doch Philippe verpasste ihm als Antwort einen weiteren Schlag mit der Waffe. „Halt dein Maul!“
In dem Moment verlangsamte Mireille das Tempo, weil die Strasse eine scharfe Kurve machte. Philippe schaute selbstgefällig, stolz, dass er einem Polizisten die Waffe auf den Schädel gedonnert hatte, geradeaus.
Jetzt oder nie, dachte Guillaume. Er spähte um die Kurve. Kein Gegenverkehr. Mit einer blitzschnellen Bewegung öffnete er die Tür und warf sich der Länge nach aus dem Wagen. Er milderte den Aufprall mit den Armen so gut es ging ab und rollte sich weg von der Strasse, als sei er ein eleganter Sack Kartoffeln, der von einem Laster gehechtet war. Die stundenlangen Abroll-Übungen in seinem Training kamen zum Tragen. Er verletzte sich nicht, kam bei einer kleinen Mauer zum Halt, stand sofort auf und rannte davon in den Wald. Kein einziger Blick nach hinten. Zickzack geradeaus. Nur weg, dachte Guillaume. Von seiner Stirn strömte ihm Blut in die Augen. Scheisskerl!
Philippe Broccart hatte ein Problem mit Gewalt und das durfte er gerne für sich behalten.
☸
Paris, „ Tag X“
Die Zusammenarbeit verlief wie geölt. Hatten Yeva und Guillaume gestern im Bett miteinander harmoniert, so harmonierten sie jetzt in der Vorbereitung des ersten Einsatzes miteinander. Jeder Handgriff sass. Musste sitzen. Sollte sitzen, denn die letzten Wochen hatten sie sowohl zusammen, als auch alleine, nicht viel anderes getan.
Die Waffen wurden gekonnt zusammengesetzt. Die speziellen Feldstecher mit Nachtsicht-Funktion wurden millimetergenau positioniert und eingestellt. Die Sonden und Ortungsgeräte ein letztes Mal überprüft und so bereit gelegt, dass sie im entscheidenden Moment zur Hand waren.
Zwei Einsätze standen an. Ein kleiner Einsatz in knapp 150 Minuten und ein grosser um 21.27 Uhr. Klein, das hiess um die fünfzig Tote. Gross, das hiess mehr als Hundert, wenn der Kunde nicht gestoppt würde.
Nachdem im Hotelzimmer alles vorbereitet war, hing Yeva wiederum das Bitte nicht stören Schildchen an die Tür und dann verliessen die beiden das Hotel, um mit der Metro an den Ort des ersten Einsatzes zu fahren: Les Halles.
Es gab weder Small Talk noch sonst irgendwelche Anzeichen von Nervosität. Was die Passanten anging, waren Yeva und Guillaume ein ruhiges und schweigsames Pärchen, das seine Ferien in Paris verbrachte. Verträumt und bezaubert vom Charme der Stadt. Es war etwa neun Uhr. Das A-Team, mit dem Guillaume und Yeva zusammen arbeitete, hatte ihnen den ersten Terroranschlag auf die Sekunde genau angegeben. Man konnte
Weitere Kostenlose Bücher