DER LETZTE BESUCHER
ihr beugte. Sein G e sicht kam immer näher und näher und sein Atem wurde zu einem Feue r strahl, der sie verbrannte . Es wurde heißer und immer heißer um sie, und sie b e gann zu schreien. Sie schrie und schrie und fühlte, halb besinnungslos vor Angst, wie er sie am Arm fes t hielt und sie rüttelte.
„Um Gottes w illen, Frau Bergmann, hören S ie auf zu schreien. W a chen Sie auf. Sie haben geträumt!“
Sie blinzelte und öffnete mühsam die Augen. Vor ihr stand eine weiß gekleidete, etwas füllige Frau mit mütte r lichen Gesichtszügen, die sie beruhigend a n sah. Wo war sie? Weiße Wände, ein schmales Metallbett, daneben ein Gestell, von dem ein Infusion s schlauch zu ihrem rechten Arm führte. Sie wollte den Kopf b e wegen, gab es aber sofort wieder auf. Es tat höllisch weh. Sonne fiel du rch das g e schlossene Fenster. Es blendete. Die Kranke n s chwester tätschelte ihren Arm.
„Haben Sie keine Angst, es wird schon alles wieder gut. Ihr Mann kommt nachher gleich noch ein mal zu Ihnen. Er war vorhin schon hier, aber da schliefen Sie gerade. I st ja rührend besorgt um Sie.“ Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Helen schloss die Augen wieder und versuchte sich zu entspannen. Vergeblich. Plötzlich war alles wieder da. Vo r gestern A bend , die Szene, die Daniel ihr g e macht hatte. Die Schmerzen, als er sie schlug. Ihre U n fähigkeit, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Und Sabine, die sie gestern besuchen wollte. Warum war sie nur so feige g e wesen und hatte ihr nicht die Tür geöffnet? Der Balkon, von dem aus sie der Freundin nachblickte. Richtig, das Balkongitter. Es hatte unter ihren Händen plötzlich nac h gegeben. Aber dann, was war dann passiert? Sie musste ohnmächtig g e worden sein.
Sabine. Sie musste sie anrufen. Sabine sollte kommen. Sie brauchte unbedingt ein Telefon. Ihr Blick fiel auf ihren Waschbeutel neben dem Tisch am Fußende des Bettes. Was für ein Glück, darin befand sich Sabines Visitenkarte.
Als sich die Tür plötzlich öffnete und eine junge energisch aussehende Frau in einem offenen weißen Kittel, den sie lose über ihre Klei du ng gestreift hatte, an ihr Bett trat, hatte sie nur den einen Gedanken: Ich brauche ein Tel e fon.
„Ich brauche ein Telefon“ , sagte sie drängend und wunderte sich, dass nur ein heiseres Flüstern aus ihrem Mund kam.
„Langsam, Frau Bergmann, bitte nicht aufregen, Sie hatten gestern einen schlimmen Unfall “ , kam die Antwort. „Ich bin Doktor Hellermann , I hre Station s ärztin . Ich hatte gestern in der Notaufnahme Dienst, als Sie eingeli e fert wurden “, fügte sie ergänzend hinzu.
„Notaufnahme? Was ist denn überhaupt passiert?“ , flüsterte Helen und bewegte langsam den Kopf , um die Ärztin anz u sehen.
„Ja, ich dachte, das würde ich von Ihnen erfahren“, antwortete diese, setzte sich auf den Bettrand und nahm vo r sichtig Helens gesunde rechte Hand.
„Wir wissen nur, dass Sie vom Balkon Ihrer Wohnung gestürzt sind und großes Glück gehabt haben, dass nicht mehr passiert ist. Der linke Arm ist g e brochen, außerdem haben Sie eine Gehirnerschütterung, aber sonst nur eine Menge Schürfwunden und Prellungen. Sie haben wah r scheinlich jetzt ziemliche Kopfschmerzen. Aber wenn alles gut geht, sind Sie in ein paar Tagen wieder auf den Be i nen. Allerdings ist da noch etwas“, sie beugte sich vor und musterte Helen aufmerksam. „Ich habe bei der Aufnahm e untersuchung bei Ihnen Verletzungen festgestellt, die u n möglich von Ihrem Sturz he r rühren können. Möchten Sie mir dazu etwas sagen?“
Helens Finger zuckten in der Hand der Ärztin , sie presste die Lippen fest zusammen.
„Schon gut, darüber können wir auch noch später reden, wenn es Ihnen wieder ein bisschen besser geht.“ Dr. Helle r mann erhob sich und ging zur Tür.
„Ich komme morgen früh wieder. Dann reden wir weiter. Übrigens, Ihr Mann war vorhin da und wollte mich sprechen. Soll ich mit ihm über Ihre Verletzungen sprechen?“ Sie blickte unauffällig über die Schulter zurück zum Bett.
„N ... e in, bitte nicht. Bitte , ich ... ich will auch keinen B e such ... bitte. Will nur schlafen ... schlafen“ , stieß Helen her vor . Jetzt wusste die Ärztin , dass ihr Gefühl nicht g e trogen hatte. Hinter Helens Unfall steckte viel mehr. Und sie war entschlossen herausz u finden , was es war.
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E r hatte sich verspätet. Auf der Fahrt du rch die b e lebte
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