Der letzte Beweis
Augen, um sie vor dem Thema zu warnen, was ich schon früher hätte tun sollen.
Mein Dad sagt: »Es ist bald vorbei, Barbara.«
»Nicht früh genug. Dein Vater schläft schon den ganzen Monat keine Nacht mehr durch.«
Sie genießt diese Rolle, meinen Dad zu verpetzen, und er wendet sich ab, klug genug, keinen weiteren Kommentar zu riskieren. Ich dachte, die schlaflosen Nächte meines Vaters gehörten längst der Vergangenheit an. Als ich noch ein Junge war, gab es Phasen, in denen er ständig nachts durchs Haus geisterte. Manchmal hörte ich ihn und fand es sogar beruhigend, weil er wach war und mich vor den nächtlichen Gespenstern und Dämonen schützen konnte, die ich fürchtete. Als ich jetzt zuhöre und beobachte, spüre ich, dass sich die Gewichtung zwischen meinen Eltern kaum merklich verlagert hat. Der Wahlkampf scheint ihre normalerweise stummen Konflikte hervorzulocken.
Mein Vater, der die Mäkeleien meiner Mutter gewohnt ist, hält ihr das Tablett mit den Horsd'oeuvres hin, von denen er und Anna inzwischen kräftig genascht haben. Dann holt mein Vater die Steaks aus dem Kühlschrank und fängt an, sie zu würzen. Er braucht mehr Knoblauchpulver, sagt er und geht runter in den Keller, um welches zu holen.
»Wir Männer am Grill?«, fragt mein Dad, als die Steaks so weit sind.
»Mom, hast du was dagegen, wenn Anna sich oben ein bisschen umschaut, während wir draußen sind? Ich wollte, dass sie mal mein Zimmer sieht.«
»Gehen Sie nur, Anna, fühlen Sie sich wie zu Hause. Nat lässt mich absolut nichts wegwerfen. Könnten Sie vielleicht ein Regal voll alter Baseballpokale in der neuen Wohnung gebrauchen?«
Wieder lachen wir alle. Es ist schwer zu sagen, ob diese Heiterkeit nervliche Anspannung überspielt oder echte Freude ist, aber sie ist untypisch für das Haus, in dem ich aufgewachsen bin.
Unbemerkt von den anderen, sieht Anna von der Treppe zu mir rüber und verdreht die Augen, während ich meinem Dad auf die Veranda folge. Die Sonne geht unter, versinkt mit einem prächtigen Farbenspiel im Fluss, und ein wenig herbstliche Kühle liegt in der Luft.
Mein Dad und ich hantieren an den Knöpfen, bis der Grill anspringt, und schauen dann zu, wie sich die Flammen zwischen den Brennern ausbreiten, als wäre es ein religiöser Ritus. Als ich ein Kind war, umgab meine Mom mich immer auf eine Weise, die keiner Worte bedurfte, und vielleicht habe ich deshalb nie die Gabe entwickelt, mit meinem Dad zu reden. Im Grunde habe ich nie viel mit anderen geredet, bis ich Anna begegnet bin, was vermutlich irgendwas zu bedeuten hat. Natürlich führen mein Dad und ich Gespräche, aber die sind meistens kurz und bündig, es sei denn, wir reden über Jura oder die Trappers, die einzigen beiden Themen, bei denen wir uns auch schon mal angeregt unterhalten können. Normalerweise stelle ich Nähe zu meinem Vater so wie jetzt her, durch Koexistenz, dadurch, dass wir beide dieselbe Luft atmen und dann und wann einen Kommentar über die Flammen oder über das brutzelnde Fleisch abgeben.
In meinem vorletzten Jahr an der Highschool wurde mir klar, dass ich eigentlich nicht besonders gern Baseball spielte. Damals hatte ich in der Nearing-Mannschaft einen Stammplatz als Center Fielder, obwohl ich sicher war, meinen Platz an einen talentierten Neuling namens Josey Higgins zu verlieren, der im Gegensatz zu mir keine Probleme hatte, schwierige Bälle zu schlagen, und auf dem Feld sogar noch schneller war als ich. Er ging später an die Wisconsin State und kam dort in die Auswahlmannschaft. Der Grund, warum ich mir Baseball im Fernsehen angeschaut hatte und jeden Sommer seit meinem sechsten Lebensjahr aufs Feld getrabt war, wurde mir eines Tages förmlich in Sekundenschnelle klar, während ich beim Training einen Ball im hohen Bogen auf mich zufliegen sah: nur um mit meinem Vater darüber reden zu können. Ich war nicht sonderlich aufgebracht, nur unwillig, so weiterzumachen, nachdem ich es einmal begriffen hatte. Als ich aufhörte, erhob unser Trainer kaum Einspruch. Er war ziemlich erleichtert, dass ihm das unvermeidliche Gerede vom Wohl der Mannschaft erspart blieb. Alle - mein Dad eingeschlossen - glaubten, ich wollte lieber aufhören, als auf der Bank zu sitzen, und ich hab sie gern in dem Glauben gelassen.
Als wir eine Weile so dagestanden haben, fragt er mich, was ich ab nächster Woche machen will, wenn mein Referendariat zu Ende ist. Ich habe beschlossen, wieder als Vertretungslehrer zu arbeiten, während ich meinen
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