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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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denken. In der Zeitung stand, daß mehr Leute wegzogen als herkamen. Egal was passiert, dachte Bosch, ich bleibe.
    Er bog auf den Ventura Boulevard ab und hielt bei dem Büro mit den Mietbriefkästen. In seinem Fach waren nur Rechnungen und Reklamesendungen. In der Cafeteria nebenan kaufte er sich ein Sandwich zum Mitnehmen. Putenfleisch auf Vollkornbrot mit Avocado und Bohnensprossen. Danach fuhr er auf dem Ventura Boulevard weiter, bis er in den Cahuenga Boulevard überging, und bog dann auf den Woodrow Wilson Drive ab, der den Hügel hinaufführte. In der ersten Kurve mußte er auf der engen Straße abstoppen, weil ihm ein Streifenwagen entgegenkam. Er winkte, wußte jedoch, daß sie ihn nicht kennen würden, da sie vom North-Hollywood-Revier waren. Sie winkten nicht zurück.
    Wie üblich parkte er einen halben Block von seinem Haus entfernt. Er beschloß die Segeltuchtasche im Kofferraum zu lassen, weil er die Akten eventuell im Parker Center brauchte. Mit seiner Reisetasche in der einen und der Sandwichtüte in der anderen Hand ging er auf sein Haus zu.
    Als er den überdachten Abstellplatz für sein Auto erreichte, sah er abermals einen Streifenwagen kommen. Er schaute genauer hin und stellte fest, daß es dieselben Polizisten wie zuvor waren. Sie mußten aus irgendeinem Grund gewendet haben. Er wartete am Straßenrand, um zu sehen, ob er ihnen irgendwie helfen konnte oder ob sie wissen wollten, warum er gewinkt hatte. Auch war ihm nicht recht, daß sie sahen, wie er in sein abbruchreifes Haus ging. Der Wagen fuhr jedoch vorbei, ohne daß die Polizisten ihn ansahen. Der Fahrer schaute auf die Straße und sein Partner sprach ins Funkmikrofon. Sie waren vermutlich im Einsatz. Bosch wartete, bis der Wagen hinter der nächsten Kurve verschwunden war, und ging dann zum Seiteneingang.
    Er öffnete die Tür, trat ein und merkte sofort, daß etwas nicht stimmte. Er machte noch zwei Schritte, bevor er es identifizieren konnte. Im Haus, oder zumindest in der Küche, war ein fremdartiger Geruch. Parfüm. Nein, eher Eau de Cologne. Ein Mann, der Eau de Cologne benutzte, war vor kurzem hier gewesen – oder er war noch da.
    Bosch stellte seine Reisetasche und die Sandwichtüte leise auf den Boden und griff an seine Hüfte. Alte Gewohnheiten wird man schwer los. Er trug immer noch keine Pistole, und seine Zweitwaffe lag auf der Ablage im Wandschrank an der Vordertür. Einen Moment lang überlegte er, ob er dem Streifenwagen auf der Straße nachlaufen sollte. Doch der war vermutlich schon zu weit weg.
    Statt dessen öffnete er eine Schublade und nahm leise ein kleines Schälmesser heraus. Zwar lagen dort auch längere Messer, aber es war leichter mit einem kleinen Messer umzugehen. Er bewegte sich auf den Türbogen zu, der zum Eingangsflur führte. Immer noch in Deckung, stoppte er an der Schwelle und senkte seinen Kopf, um zu lauschen. Er vernahm das leise Rauschen des Freeways unterhalb des Hauses. Im Haus selbst herrschte jedoch Stille. Eine Minute verging. Er wollte gerade durch den Türbogen treten, als er ein Geräusch hörte. Das leise Rascheln von Stoff. So als ob jemand die Beine übereinanderlegte. Er war sich sicher, jemand war im Wohnzimmer. Und jetzt wußte er auch, daß sie wußten, daß er es wußte.
    »Detective Bosch«, durchbrach eine Stimme die Stille im Haus. »Es besteht keine Gefahr. Sie können herauskommen.«
    Bosch kannte die Stimme, aber er war so angespannt, daß er nicht sofort wußte, wo er sie hinstecken sollte. Er wußte nur, daß er sie schon einmal gehört hatte.
    »Detective Bosch, hier ist Assistant Chief Irving«, sagte die Stimme. »Kommen Sie bitte heraus. Auf die Weise wird niemand verletzt.«
    Ja, das war die Stimme. Seine Anspannung ließ nach. Bosch legte das Messer auf die Arbeitsfläche, stellte die Tüte mit dem Sandwich in den Kühlschrank und trat aus der Küche. Irving saß im Wohnzimmer in einem Sessel. Zwei Männer in Anzügen, die Bosch nicht erkannte, saßen auf der Couch. Mit einem Blick in die Runde entdeckte er seine Schachtel mit den Briefen und Karten auf dem Couchtisch. Die Mordakte, die er auf dem Eßtisch hatte liegen lassen, lag auf dem Schoß von einem der Männer. Sie hatten sein Haus durchsucht und seine persönlichen Sachen durchgesehen.
    Bosch begriff plötzlich, was sich gerade draußen abgespielt hatte.
    »Ich hab’ Ihren Vorposten gesehen. Kann mir mal jemand sagen, was hier abläuft?«
    »Wo waren Sie, Bosch?« fragte einer der Anzüge.
    Bosch sah ihn an.

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