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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Irving sah auf, und Bosch erkannte, daß die Wut verflogen war.
    »Ich habe nichts falsch gemacht«, sagte Irving leise.
    »Doch, das haben Sie«, sagte Bosch genauso leise. Er beugte sich über den Tisch, bis er nur noch einen halben Meter von Irvings Gesicht entfernt war. »Wie wir alle. Wir haben uns nicht um den Fall gekümmert. Das war unser Verbrechen. Aber das ist vorbei. Wenigstens, was mich angeht. Wenn Sie helfen wollen, wissen Sie, wie Sie mich erreichen können.«
    Er ging zur Tür.
    »Was wollen Sie?«
    Bosch schaute zurück.
    »Erzählen Sie mir von Pounds. Ich muß wissen, was passiert ist. Nur so kann ich wissen, ob es eine Verbindung gibt.«
    »Dann setzen Sie sich.«
    Bosch setzte sich auf den Stuhl an der Tür. Sie beruhigten sich beide erst einmal. Schließlich begann Irving.
    »Wir haben Samstag abend angefangen, ihn zu suchen. Sonntag mittag haben wir seinen Wagen im Griffith Park gefunden. In einem der Tunnel, die nach dem Erdbeben gesperrt wurden. Als ob sie gewußt hätten, daß wir von der Luft aus suchen würden.«
    »Warum wurde die Suche begonnen, bevor man wußte, daß er tot ist?«
    »Seine Frau rief Samstag morgen an. Sie sagte, er habe Freitag abend einen Anruf bekommen. Von wem, wußte sie nicht. Dem Anrufer gelang es jedoch, Pounds zu überreden, das Haus zu verlassen und sich mit ihm zu treffen. Pounds sagte seiner Frau nicht, worum es sich handelte, nur daß er in ein oder zwei Stunden zurück sein würde. Er ging und kam nicht wieder. Am Morgen rief sie uns an.«
    »Ich nehme an, Pounds Nummer steht nicht im Telefonbuch.«
    »Richtig. Das legt die Vermutung nahe, daß es jemand von der Polizei gewesen ist.«
    Bosch dachte darüber nach.
    »Nicht unbedingt. Es muß nur jemand sein, der Beziehungen hatte. Jemand, der nur den Hörer abzunehmen brauchte, um die Nummer zu erfahren. Sie sollten bekanntgeben, daß Sie die Person, die die Nummer herausgegeben hat, nicht bestrafen, falls sie sich freiwillig meldet. Amnestie im Tausch für den Namen der Person, die die Nummer wissen wollte. Das ist die Person, die Sie suchen. Wahrscheinlich wußte derjenige, der die Nummer herausgegeben hat, nicht, was passieren würde.«
    Irving nickte.
    »Das ist eine Idee. Bei der Polizei gibt es Hunderte, die seine Nummer herausbekommen könnten. Das ist wahrscheinlich die einzige Möglichkeit.«
    »Erzählen Sie mir mehr über Pounds.«
    »Wir haben im Tunnel sofort mit den Ermittlungen begonnen. Am Sonntag hatten die Medien es spitzbekommen, daß wir ihn suchen. In der Hinsicht war der Ort von Vorteil. Keine Helikopter, die uns störten. Wir mußten nur den Tunnel beleuchten.«
    »Er war im Auto?«
    Bosch tat so, als wüßte er nichts. Wenn er von Hinojos erwartete, daß sie den Inhalt ihrer Gespräche vertraulich behandelte, mußte er das gleiche tun.
    »Ja, er war im Kofferraum. Mein Gott, es war schlimm. Man … man hatte ihn ausgezogen und geschlagen. Und … es war zu sehen, daß man ihn gefoltert hatte.«
    Bosch wartete, aber Irving schwieg.
    »Was? Was haben sie getan?«
    »Verbrennungen. An den Genitalien, Brustwarzen, Fingern … o Gott.«
    Irving fuhr sich mit der Hand über seinen rasierten Schädel und schloß die Augen. Bosch sah, daß er die Bilder nicht loswerden konnte. Bosch hatte ebenfalls Probleme. Seine Schuld lastete wie ein schwerer Stein auf seiner Brust.
    »Es sah aus, als hätten sie etwas aus ihm herausbekommen wollen«, sagte Irving, »aber er wußte es nicht … und sie hörten nicht auf.«
    Plötzlich spürte Bosch ein leichtes Erdbeben und griff nach dem Tisch, um sich festzuhalten. Er schaute Irving an und begriff dann, daß es kein Beben war. Es war sein Körper, der zitterte.
    »Warten Sie einen Augenblick.«
    Der Raum neigte sich leicht und nahm dann wieder seine normale Lage ein.
    »Was ist?«
    »Warten Sie einen Moment.«
    Ohne ein weiteres Wort stand Bosch auf und ging zur Tür hinaus. Er eilte den Korridor hinunter zu der Herrentoilette am Trinkbrunnen. Jemand stand vor einem der Waschbecken und rasierte sich, Bosch hatte jedoch keine Zeit ihn anzusehen. Er stieß eine Tür auf und kotzte in die Kloschüssel – gerade noch rechtzeitig.
    Er betätigte die Spülung. Aber das Würgen kam wieder und wieder, bis sein Magen leer war – bis er nichts mehr in sich hatte, als Pounds’ Bild: nackt, tot, gefoltert.
    »Alles in Ordnung, Kollege?« fragte eine Stimme von draußen.
    »Laß mich in Ruhe.«
    »Tschuldigung, wollte nur fragen.«
    Bosch lehnte sich gegen die

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