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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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den Jasminduft.
    »Harry, hast du je deine Waffe benutzt?«
    Er hob seinen Kopf. Die Frage schien deplaziert. In der Dunkelheit konnte er jedoch ihre Augen sehen, die ihn beobachteten und auf eine Antwort warteten.
    »Ja.«
    »Du hast jemanden getötet.«
    Es war keine Frage.
    »Ja.«
    Sie sagte nichts mehr.
    »Was ist, Jazz?«
    »Nichts. Ich frage mich nur, wie das ist. Wie man weiterlebt?«
    »Ich kann dir nur sagen, daß es Schmerzen verursacht. Auch wenn man keine Wahl hatte und sie sterben mußten. Es tut weh. Und man muß einfach weitermachen.«
    Sie schwieg. Er hoffte, daß sie gehört hatte, was immer sie hatte hören wollen. Bosch war verwirrt. Er begriff nicht, warum sie diese Fragen gestellt hatte, fragte sich, ob sie ihn testen wollte. Er legte seinen Kopf aufs Kissen und wartete darauf, einschlafen zu können, aber seine Gedanken hinderten ihn daran. Nach einer Weile drehte sie sich zu ihm um und legte ihren Arm um ihn.
    »Ich glaube, du bist ein guter Mann«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
    »Bin ich das?« flüsterte er zurück.
    »Und du wirst wiederkommen, nicht wahr?«
    »Ja, ich werde wiederkommen.«

29
    B osch klapperte alle Autoverleihfirmen im McCarran International Airport in Las Vegas ab, aber es waren keine Mietwagen mehr zu haben. Innerlich verfluchte er sich, daß er nichts reserviert hatte, und trat aus dem Terminal in die trockene, frische Luft, um sich ein Taxi zu nehmen. Als Bosch der Fahrerin die Adresse auf dem Lone Mountain Drive gab, konnte er im Rückspiegel deutlich ihre Enttäuschung sehen. Da das Ziel kein Hotel war, würde sie dort keinen neuen Fahrgast finden.
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Bosch, der ihr Problem verstand. »Wenn Sie auf mich warten, können Sie mich wieder zum Flughafen bringen.«
    »Wie lange wollen Sie dort bleiben? Lone Mountain ist nämlich weit draußen bei den Sandgruben.«
    »Vielleicht fünf Minuten, vielleicht weniger. Oder auch eine halbe Stunde. Auf alle Fälle nicht länger.«
    »Soll ich in der Zeit den Zähler laufen lassen?«
    »Das, oder nennen Sie mir einen Preis. Wie Sie wollen.«
    Sie dachte einen Moment nach und fuhr dann los.
    »Wo sind eigentlich die ganzen Mietwagen?«
    »Es ist gerade eine große Tagung hier. Elektronik oder so was.«
    Die Fahrt in die Wüste nordwestlich vom Zentrum dauerte fünfunddreißig Minuten. Die Neon- und Glaspaläste verschwanden allmählich, und sie fuhren durch Wohnviertel, bis auch diese spärlicher wurden. Das Land war von einem ungleichmäßigen Braun überzogen. Hier und da wuchs Strauchwerk. Bosch wußte, daß die Wurzeln der Pflanzen sich weit unter der Erde ausdehnten und ihr den letzten Tropfen Wasser aussaugten. Dementsprechend sah die Landschaft tot und trostlos aus.
    Auch Häuser gab es nur vereinzelt – wie Vorposten im Niemandsland. Die Straßen verliefen bereits im Rechteckschema und waren geteert, aber Las Vegas hatte sich noch nicht bis hierher ausgedehnt. Es würde aber nicht mehr lange dauern. Die Stadt breitete sich aus wie ein Ölteppich.
    Die Straße stieg jetzt an und zog sich einen Berg hinauf, der die Farbe von Kakaopulver hatte. Das Taxi wurde hin- und hergerüttelt als ein Konvoi riesiger Trucks mit Anhängern vorbeidonnerte. Sie transportierten Sand aus den Gruben, von denen die Fahrerin gesprochen hatte. Kurz darauf endete der Asphalt und ging in Schotter über. Das Taxi zog eine Staubwolke hinter sich her. Bosch begann zu glauben, daß die fette Rathausangestellte ihm eine falsche Adresse gegeben hatte. Aber dann waren sie da.
    Die Adresse, an die jeden Monat Claude Enos Pension geschickt wurde, gehörte zu einem Haus im Ranchstil, das rosa verputzt und mit staubigen weißen Dachziegeln bedeckt war. Bosch stellte fest, daß sogar die Behelfsstraße hier aufhörte. Hier war Endstation. Niemand hatte je zurückgezogener gelebt als Claude Eno.
    »Ich weiß nicht«, sagte die Fahrerin. »Hier soll ich warten? In dieser gottverdammten Mondlandschaft?«
    Sie parkte in der Auffahrt hinter einem Oldsmobile aus den siebziger Jahren. Unter einem überdachten Abstellplatz stand ein anderer Wagen. Er war mit einer blauen Plane abgedeckt, die an den Rändern von der Sonne weiß gebleicht war.
    Bosch holte sein Portemonnaie heraus und gab der Fahrerin fünfunddreißig Dollar für die Herfahrt. Dann nahm er zwei Zwanziger, riß sie in der Mitte entzwei und gab ihr je eine Hälfte.
    »Wenn Sie warten, bekommen Sie die anderen Hälften.«
    »Und das Geld für die Rückfahrt zum

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