Der letzte Druide (German Edition)
dabei", sagte er nur. Sie schlichen zur Tür, und wenn sie darauf bedacht waren, keine unnötigen Geräusche zu produzieren, dann nicht wegen den Zwillingen, die ohnehin nicht reagiert hätten, sondern wegen dem, was sich außerhalb der Schlafkammer tat. Bastian fröstelte, als er die Tür öffnete. Das Knarren der Scharniere durchfraß die Stille. Ein Laut, der nicht zu vermeiden war. Dennoch verfluchte ihn der Junge innerlich. Schattenhaft bewegten sie sich die Treppe nach unten. Ein paar Stufen ächzten, als wollten sie jemanden warnen. Aber es war niemand da, der es gehört hätte. Die Schlafstellen der Fischerfamilie waren verlassen. "Sie sind draußen", sagte Patzer schaudernd. "Erst dachte ich ja, du hättest dich geirrt..." Bastian winkte ab. Im Kamin brannte ein Feuer, das zusammen mit dem einströmenden Mondlicht nichts verborgen ließ. Der Junge ging an eines der Fenster und starrte nach draußen. Am Himmel hing die volle, leicht umwölkte Mondscheibe wie das riesenhaft vergrößerte Auge eines Albinos und tauchte Meer, Klippen und Geröllflächen in unwirkliche Helligkeit. Bastian wollte sich schon abwenden, da sah er unten am Strand ein paar dunkle Punkte, die sich wie tanzend bewegten. Die Ebbe hatte das Meer weit zurückweichen lassen. Dennoch produzierte es seine urtypischen Geräusche, die bis zur Hütte hochdrangen, und in dessen Rhythmus die winzigen Gestalten weit entfernt auf und ab hüpften. "Sie sind am Strand", wandte sich Bastian an Patzer, der abwartend an der Feuerstelle stand. "Vielleicht machen sie nur einen späten Spaziergang, weil sie nicht einschlafen konnten. Es ist Vollmond..." Der Zwerg grinste säuerlich. "Aber du wirst dich trotzdem erst zufrieden geben, wenn du ihnen gefolgt bist und dich aus nächster Nähe vergewissert hast. Stimmt's?“, "Du solltest Gedankenleser werden. Du hast Talent, das sich sicher ausbauen ließe." "Ich bin Gedankenleser", korrigierte Patzer. "Also, worauf warten wir noch?“, Der schmale Pfad zwischen den Klippen war bei Nacht noch viel gefährlicher als tagsüber. Jeder Schritt konnte der letzte sein. Das Gefälle war sehr steil, und besonders Patzer schien Schwierigkeiten mit dem rechts klaffenden Abgrund zu haben. Einmal rutschte er auf dem Geröll aus, und Bastian, der hinter ihm ging, konnte ihn gerade noch fassen, sonst wäre er über den Rand des Pfades geschlittert. "Danke", keuchte der Zwerg. "Eine Hand wäscht die andere", nickte Bastian. Minuten später hatten sie den Strand erreicht. "Sie sind verschwunden", sagte Patzer, und es klang nicht einmal enttäuscht. Eher schien er zu fürchten, dass mit dem nächtlichen 1Familienausflug1 tatsächlich etwas nicht stimmte. "Nein", flüsterte Bastian. Der Wind trieb weiße Atemfahnen von seinem Mund weg, so kalt war es. Von Rednek hatten sie gleich nach ihrer Ankunft warme Kleidung bekommen; im Lendenschurz wäre es jetzt ziemlich ungemütlich geworden. "Da vorne sind sie..." Patzer blickte in die gezeigte Richtung. Er schien nicht zu frieren, obwohl er nur sein Kostüm trug und sich standhaft weigerte, etwas anderes anzuziehen. Entweder war die Harlekintracht aus einem hervorragenden, wärmespendenden Material, oder der Kleine war einfach nicht empfindlich. Etwa hundert Meter von ihnen entfernt tanzte die Fischerfamilie im Mondschein. Es war ein gespenstisches Bild. Das M eer scheint nicht infolge der Gezeitenkräfte, sondern vor ihnen gewichen zu sein, dachte Bastian schaudernd, während sie sich den Tanzenden in sicherer Deckung näherten. Der Gedanke entbehrte jeder Grundlage, dennoch setzte er sich in ihm fest. Keinen Steinwurf von der Fischerfamilie entfernt, bezogen Bastian und Patzer ihre Beobachtungsposition. Sie waren nicht bemerkt worden. Ein etwas in den Strand hinausragender Felsausläufer bot ihnen sicheren Schutz vor Entdeckung Auf dem Bauch liegend, spähten sie über den Felsrand hinweg. Das war genau der Moment, in dem die Tanzenden in ihren Bewegungen erstarrten. Plötzlich lag eine Melodie in der frostigen Luft; ein monotoner Singsang aus vielen Kehlen. Rednek, Myrna, Pyter und Gryf standen kerzengerade, die Gesichter zum Mond gewandt, und waren vollständig angekleidet. Nach einer Weile begannen sie sich jedoch singend auszuziehen. Sie legten alle Kleidungsstücke ab, bis sie völlig nackt in der Kälte standen. Ich fasse es nicht, dachte Bastian. Was für ein Ritual soll das werden. . . ? Patzer, der neben ihm lag, klammerte sich ängstlich an ihn und stieß leise winselnde
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