Der letzte Druide (German Edition)
unterhalb des ersten Fensters.
Bastian richtete sich zentimeterweise auf, bis seine Augen ungehindert ins Innere der Dunklen Schmiede blicken konnten.
"Was siehst du?“, fragte Patzer neben ihm. Bei ihm genügte es nicht, sich einfach etwas aufzurichten, um durch das Fenster zu spähen. Er stand ja schon und hätte auf Bastian klettern müssen, um die gewünschte Höhe zu erreichen.
"Psst!“, zischte Bastian, der fürchtete, dass jemand die Worte seines kleinen Freundes hören konnte.
Seine Augen mussten sich erst allmählich an die Düsternis im Innern der Schmiede gewöhnen. Doch dann sah er ihn.
Saramoon.
Was musste dieser Mann seit Lirs Verschwinden erlitten haben?
Innerlich aufgewühlt betrachtete Bastian die beiden so unterschiedlichen Gestalten, die sich innerhalb des Gebäudes bewegten.
Ein Sklave und sein Herr.
Dieser Vergleich drängte sich sofort auf.
Bastian tat es im Kern weh, als er den an schwere Eisenketten gebundenen Gefangenen musterte, der an einem riesigen Blasebalg stand und verzweifelt versuchte, ein Feuer in der nicht weniger riesigen Esse zu entfachen.
Das Alter des Gefangenen war nicht zu bestimmen. Er konnte fünfzig oder hundert sein... der Frondienst hatte seinen
Körper ausgemergelt. Seine runzlige Haut war rußgeschwärzt, seine Kleidung bestand nur aus in Fetzen an ihm herabhängenden Lumpen, die ebenfalls vor Schmutz starrten.
Einmal erhaschte Bastian einen Blick des Gefangenen. Doch darin fand er nichts als Leere und Resignation.
Und dieser Mann sollte ein Mittel kennen, das Rolf und Hendrik vom Fluch Lihous befreien konnte...?
Bastian mochte es nicht mehr glauben. Wenn der Gefangene Saramoon war, dann hatte er sich längst in sein Schicksal ergeben. Er wirkte kraft- und saftlos, vom steten Terror ausgehöhlt.
Er war der Sklave.
Er hatte es akzeptiert.
Jede Zuckung seiner Muskeln, jede winzige Geste drückte das aus!
Bastians Blick wechselte zu der anderen Gestalt.
Es war ein Mann von unglaublicher Statur, mindestens zwei Meter fünfzig groß und dabei so dürr wie eine Spindel. Er war glatzköpfig, und jeder Quadratzentimeter seiner sichtbaren Haut glänzte schwarz wie Ebenholz. Selbst seine strichdünnen Lippen waren schwarz. Nur die Augen... die Augen glitzerten schockgrün!
Bastians Herz schlug schneller bei diesem Anblick. Ein ungeheuerlicher Gedanke kam ihm.
War es möglich, dass die Gestalt, die Saramoon bewachte -Arawn selbst war?
Bislang hatte Bastian seinen Gegenspieler noch nicht leibhaftig zu Gesicht bekommen, und die Beschreibungen, die er bislang erhalten hatte, waren nicht nur vage, sondern widersprachen sich auch noch in allen wesentlichen Punkten.
Der Mann, den Bastian im Verdacht hatte, Arawn zu sein, trug eine ebenfalls pechschwarze Kutte, die an der Taille von einem geflochtenen Gürtel gehalten wurde. Die Kutte war so lang, dass sie selbst die Füße noch verbarg.
Der Mann sprach mit seinem Gefangenen. Es waren Worte, die deutlich artikuliert an Bastians Ohren drangen, die er aber dennoch nicht verstand. Der Schwarze mit den grünen Augen benutzte eine Sprache, die Bastian nie zuvor gehört hatte. Das verwunderte den Jungen etwas - nicht, weil er ein Sprachgenie war, sondern weil er seit Anbeginn dieses irrwitzigen Abenteuers noch nie vor dieses Problem gestellt worden war. Irgend ein Zauber hatte ihn und seine Freunde in die Lage versetzt, sowohl zu verstehen, als auch, sich selbst verständlich zu machen. Das hatte in der Zeitfestung ebenso gut geklappt wie bei Rednek und seiner Familie oder der Kräutersammlerin.
Warum funktionierte es jetzt nicht?
Weil der Fremde Arawn war?
Der Gefangene hingegen schien nur zu gut zu erfassen, was der Schwarze von ihm wollte. Er duckte sich unter seinen Worten wie unter Peitschenhieben und beschleunigte das Tempo, mit dem er den Blasebalg auf und nieder drückte noch mehr.
Allmählich loderte das Feuer in der Esse auf. Schwarze Kohlen erzeugten schwarzes Feuer, wie Bastian noch keines gesehen hatte.
Neben der Esse lagen Berge von grob gegossenen Eisenstücken, bereit geschmiedet zu werden. Zu was, war eigentlich offenkundig: zu Schwertern für Arawns Kriegsheer, das jetzt noch in der Gestalt von Bäumen um die Schmiede lagerte. Scheinbar war die Bewaffnung noch nicht abgeschlossen. Doch was würde sein, wenn jeder Krieger sein Schwert hatte?
Was wollte Arawn dann erobern? Die Insel war doch bereits in seiner Hand.
Bastian beantwortete sich seine stumme Frage selbst.
Die Welt! Und
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